Montag, 1. Oktober 2012

Selbstversuch: 4 Wochen ohne Süßigkeiten - 5 Tage geschafft

Heute habe ich dann mal den Blick auf die Realität gewaagt (ja, das ist ein Wortspiel. Ein schlechtes obendrein): 80,2kg. Ich glaube ja, dass das niemanden wirklich interessiert. Aber ich nehme meine Chronistenpflicht hier sehr ernst. Somit bin ich doch gute 2kg über meinem Wettkampfgewicht. Und das, obwohl am Sonntag ein solcher ansteht. Naja, schauen wir mal was dabei raus kommt.

Der Verzicht auf jeglichen Süßpapp gestaltet sich momentan nicht sonderlich schwierig. Beim Einkaufen juckt es kurz in den Fingern, aber dann erinnere ich mich, dass ich mein Vorhaben ja hier breit getreten habe. Zu versagen würde ein öffentliches shaming mit sich führen, welches ich mir gerne ersparen würde. Schön zu sehen, dass schon eine virtuelle "Gemeinschaft" (oder einfach auch nur eine eingebildete Leserschaft) ausreicht, um konformes Verhalten zu bewirken.

Negative Effekte sind somit nicht zu verspüren. Positive allerdings schon. Ich fühle mich gut, weil ich merke, dass ich kein triebgesteuerter Schwächling bin und mein Willen stark ist. Verzicht ist somit gleichzeitig und in unterschiedlichen Intensitäten Selbstgeißelung und Ego-Booster.

Fazit: Vorhaben wie diese kund zu tun, hilft, diszipliniert zu sein. Aber 5 Tage sind ja noch nicht mal ein Viertel des Weges. Also nicht zu früh freuen...

Donnerstag, 27. September 2012

Selbstversuch: 4 Wochen ohne Süßigkeiten

Wenn der Blick auf die Waage (aka Realität) verweigert wird, wenn maßlos Süßigkeiten in allen Farben und Formen geschaufelt werden, wenn man Sport treibt, bloß um sich danach den Bauch mit fettem, ungesunden Essen vollschlagen zu können, ohne dabei ein schlechtes Gewissen verspüren zu müssen, dann ist es Zeit, etwas an diesen merkwürdigen Gewohnheiten zu ändern.

In 10 Tagen steht ein 10km-Lauf an, den ich gerne schnell laufen würde. Nicht ganz unerheblich ist dabei das Gewicht, dass man dabei auf die Strecke schleppt. Also könnte man zur Erreichung der Gewichtsreduktion mehr Sport treiben. Oder weniger essen. Oder andere Dinge essen. Vorgestern erwischte ich mich wieder dabei, wie ich einer Süßigkeiten-Heißhunger-Attacke erlag. Das ging mir in den letzten Wochen häufig so. Natürlich habe ich durch die Lauferei und auch das Krafttraining einen erhöhten Kalorienbedarf. Allerdings glaube ich nicht, dass es auf lange Sicht gut ist, diesen mit Schokolade, Keksen und Gummibärchen zu decken. Mein Aha-Erlebnis vor zwei Tagen ereilte mich, als ich auf eine leergefressene Packung Nippon (250g) sowie eine in Einzelteile zerlegte Milchriegel (billig Kinder-Riegel) Packung starrte. 450g Süßes. Gute 2200kcal hatte ich nur mit Süßem verputzt. Und an diesem Tag keinen (!) Sport getrieben. Letzteres ist für mich eher selten, Süßigkeiten in diesen Mengen nicht unbedingt. In der letzten Woche hatte ich u.a. eine 300g-Tafel Milkaschokolade an einem Abend verschlungen, eine Packung Schokokekse (ohne Gleichen für Arme) und eine halbe Packung Malzwaffeln im Laufe eines Tages inhaliert. Dazu kamen immer wieder Gummibärchen und das von mir abgöttisch geliebte Nutellabrot. Wenn Brot alle ist, gerne auch mal Nutella pur.

Deshalb habe ich gestern einen Entschluss gefasst: 4 Wochen lang keine Süßigkeiten mehr! Ich fühle mich ein wenig wie ein Abhängiger. Und klar, das ist wieder so eines dieser bescheuerten Vorhaben, die nicht wirklich die Wurzel des Problems angehen (warum isst der kleine, traurige Mensch Süßigkeiten? Fehlt ihm irgendwas im Leben, weshalb er sich Befriedigung in Schokolade sucht?). Aber ich gehe an diesen Regalen in Supermärkten vorbei, habe im Grunde nicht vor, mir was Süßes zu holen - und schwupps: wieder was im Korb. Der nächste Schritt ist dann die Rechtfertigung mit dem allgegenwärtigen schlechten Gewissen, dass ich ja genug Sport mache und das schon verkraften könne, weil ich sowieso nicht zunähme. Schlimm sind dann noch die Aussagen von Freunden, dass ich sowieso mal zunehmen müsse oder dass ich ja, noch schlimmer, immer dünner würde. Diese pack ich dann auch immer aus, nach dem Motto: Ich darf nicht vom Fleisch fallen! Hinzu kommt bei mir, dass ich mich dabei ertappe, gewisse Tätigkeiten mittlerweile mit dem anfallartigen Fressen von Süßpapp zu verbinden. Wenn ich mir irgendeine Serie anschaue, muss ich dabei was futtern. Ansonsten merke ich, wie ich nervös werde und nicht mehr weiter schauen kann. Ich sehe das durchaus als nicht allzu positives Signal. Ganz davon abgesehen, dass Süßigkeiten in diesen rauen Mengen nicht gut sein können, abseits dessen, ob ich davon nun zunehme oder nicht.

Deshalb will ich mal vier Wochen darauf verzichten. Die Regeln sind einfach: Alles, was in der Süßigkeitenabteilung liegt, wird nicht angerührt. Hinzu kommen Gebäcke, die Süßes beinhalten, wie Muffins oder Schokocroissants, Amerikaner, Plunderteilchen usw.... mjamm... okay - Konzentration! Selbstgemachte Süßigkeiten fallen auch weg. Einzige Ausnahme sind die sonntäglichen Gebäcke meiner Mutter. Aber da gilt es Maß zu halten. Ein Stück. Mehr nicht.
Ich mache das aus dem einfachen Grund, weil ich mich nach dem Verschlingen dieser Massen immer unwohl fühle, ein schlechtes Gewissen habe. Und ich würde gerne wieder mehr Kontrolle über mein Essverhalten haben und mich nicht so sehr von Gelüsten leiten lassen. Das ist in den letzten zwei Monaten wirklich eingerissen.
Gewichtstechnisch habe ich (noch) keine Probleme. Da ich so viel Sport mache, habe ich nicht drastisch zugenommen, ich war aber die letzten zwei Wochen auch nicht auf der Waage. Mein Wettkampfgewicht sind ca. 77kg, ich schätze, momentan bin ich bei 80kg. Kein großes Ding. Wenn ich in vier Wochen bei 78kg bin, ist alles gut. Ich mache das nicht vorrangig, um abzunehmen, das passiert sowieso mit der vielen Lauferei.

Ich werde hier einfach mal berichten, wie es sich so anfühlt, wenn ein Schoko-Junkie wie ich vier Wochen auf kalten Entzug gesetzt wird. Ich vermute mal, dass der Anfang am schwersten wird.

Kein Frankfurt Marathon - lieber 10km-Geballer

Dem aufmerksamen Leser könnte in meinem letzten Post aufgefallen sein, dass ich mit der Art und Weise meiner großen Ankündigungen nicht zufrieden bin. Immer irgendwas vorhergesagt, verlangt, prophezeit und nie eingehalten. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat die Ankündigung zum Frankfurt Marathon. Natürlich hatte ich wirklich vor, ihn zu laufen. Ich hatte schon im Mai oder so einen Freistart dafür erhalten. Dann allerdings kamen mir diverse Zweifel an meinem Vorhaben.

  1. Warum zwei Marathons im Jahr laufen?
  2. Warum zum dritten Mal innerhalb eines Jahres den gleichen Trainingsschwerpunkt legen?
  3. Wenigstens einmal im Läuferleben auch kleinere Distanzen trainieren (Verbesserung der Grundschnelligkeit usw.).
  4. Lieber richtige Grundlagen für nächste Saison legen in Form von Kräftigungsübungen für die Beine und Lauf-ABC.
  5. Erst wieder Langstreckenvorbereitung, wenn neues Schuhwerk erworben wurde.
Dazu kamen kleinere Beschwerden mit meinem linken Knie, die aber schnell wieder verschwanden, jedoch die Gedanken an mehr Kräftigungsübungen noch befeuerten. Deshalb entschied ich mich im August dazu, die Vorbereitung für Frankfurt sein zu lassen und stattdessen mal gezielt 10km-Training zu betreiben.
Am 07. Oktober ist jetzt ein 10km-Wettkampf in Wiesbaden, auf den ich mich momentan vorbereite. Bislang läuft das Training ziemlich gut. Jetzt würde ich bis dahin gerne noch ein wenig an Gewicht verlieren. Mit etwas Glück könnte eine neue 10km-Bestzeit rausspringen. Meine aktuelle stammt ja von der Bahn und ist somit nicht unbedingt vergleichbar mit einer Zeit, die in einem Wettkampf gelaufen wird, zumal dieser auch relativ hügelig daher kommt.
Danach gibt es am 14. Oktober den Mainuferlauf, in dessen Rahmen auch ein 10km-Wettkampf angeboten wird. Wahrscheinlich werde ich diesen auch noch laufen. Die Strecke ist flach und an letztes Jahr, als ich dort den HM lief, habe ich noch sehr gute Erinnerungen.
Ich hoffe, dass ich durch das hier darüber Schreiben meine Ziele nicht wieder korrumpiere und mir jetzt kurzfristig wieder was dazwischen kommt...

Für Interessierte, hier mal exemplarisch meine letzte Trainingswoche im Überblick:

Mo. 17.09.: langsamer DL 12,22km in 1:09:50std
Di. 18.09.: Intervalle 5x1000m (3:50 - 3:51 - 3:49 - 3:48 - 3:52) mit 400m TP, 2km Ein-, Auslaufen
Mi. 19.09.: lockerer DL 11,24km in 1:02:00std
Do. 20.09.: mittlerer DL 12,62km in 1:02:01std
Fr. 21.09.: Tempodauerlauf 8km in 4:16min/km, 2km Ein-, Auslaufen
So. 23.09.: langer Dauerlauf 19,79km in 1:46:19std (leicht hügelig)
Gesamtdistanz: 79km

Diese Trainingswoche ist gar nicht so verschieden von meinem üblichen Marathontraining, außer dass die Distanzen geringer sind und die Intensitäten etwas höher. Diese Woche hatte ich 400m-Intervalle dabei. Die machen richtig Spaß, weil ich da mal so richtig losballern kann. Die Pausen sind auch recht kurz zwischen den Intervallen, so dass ich richtig gefordert bin. Morgen werde ich einen 10km-TDL durchführen, evtl. noch ein wenig schneller als den letzte Woche. Nächste Woche noch einmal 5x1000m-Intervalle und danach ein wenig ausruhen für den Wettkampf.

Fazit: Auch 10km-Training macht viel Spaß!

Dienstag, 18. September 2012

Mein Blog und ich: Ein Zwiegespräch

Liebes Blog,

wir zwei haben ein Problem. Ich lese dich ab und an und erkenne, dass du stets irgendwelche Vorhaben für die Zukunft hast, diese dann aber regelmäßig und aus unterschiedlichen Gründen nicht erfüllst. Sei es Krankheit, Verletzung, fehlende Motivation oder irgendeine fixe Idee, die gerade wieder in deinem Gehirn entsteht. Warum bist du in letzter Zeit so unvorhersehbar, so sprunghaft in deinen Entscheidungen? Da waren die zwei 10km Läufe, die nicht absolviert wurden. Dann das Vorhaben, im August einen Halbmarathon zu laufen, dazwischen sollte nochmal ein 10er kommen. Nichts von alldem ist passiert. Warum trittst du hier trotzdem in schöner Regelmäßigkeit deine Ziele breit und viel zu selten aktuelle Geschehnisse, die dir tatsächlich passiert sind?

Ansonsten: Wirklich schöne Texte hier dabei! Die Armstrongstory war ein bisschen an den Haaren herbei gezogen, aber Respekt vor deiner Hirnakrobatik.

Liebe Grüße
Jan


Lieber Jan,

ich erkläre dir jetzt mal etwas: Nur, weil du dich mit den geplanten Vorhaben und nicht erfüllten Zielen nicht identifizieren kannst willst, heißt das noch lange nicht, dass irgendjemand anders als du selbst dafür verantwortlich ist. Du tust hier gerade so, als stünde der ganze Käse hier ohne dein Zutun auf diesen Seiten. Ich rate dir für die Zukunft dieses Blogs und somit für mein eigenes Wohlergehen, dass du hier nicht mehr großspurig irgendwelche Träume und Wünsche postest, sondern nur noch tatsächliche Geschehnisse und interessante Begebenheiten. Wenn du nix zu berichten hast, lass deine Griffel von der Tastatur und behalte deine Läuferphantasien für dich. Es ist noch niemand durchs Nachdenken schneller geworden. Und nichts ist schlimmer und langweiliger als die niedergeschriebenen Phantasien eines mittelmäßigen Läufers. Seien wir doch mal ehrlich: Selbst die tatsächlichen Berichte reißen hier niemanden vom Hocker. Das Spannendste, was hier auf diesen Seiten passiert ist in den mittlerweile fünf (!) Monaten, war, als du dir fünf Tage vor dem Paris Marathon den Zeh an deiner scheiß Hantel gestoßen hast. Lass' dir mal auf der Zunge zergehen, wie erbärmlich langweilig und uninteressant das ist! Hinzu kommen dann noch deine Träumereien. Okay, würden sie dann wenigstens in die Tat umgesetzt, könnte der geneigte Leser eventuell einen Erkenntisgewinn für sich daraus ziehen, beispielsweise wie man Vorhaben trotz widriger Bedingungen umsetzen kann. Wenn du dich geschickt anstellen würdest, könntest du also den Weg von der Idee in deinem verwirrten Kopf bis hin zur Umsetzung auf der Strecke nachzeichnen. Das wäre doch mal was. Dazu braucht es aber auch Durchhaltevermögen. Die letzten Monate kamst du mir eher vor wie einer, der sich nicht traut, etwas auch durchzuziehen. Weißt du, wo man solche Typen wie dich gut gebrauchen kann? Im Badezimmer am Haken. Denn da gehören Waschlappen nämlich hin. Verstehst du was ich damit sagen will? Richtig, du bist ein Waschlappen. Dir muss man anscheinend alles schriftlich und zweimal erklären, damit du es verstehst. Was ich hiermit getan habe.

Na toll, siehst du, was hier gerade passiert? Jetzt tu' ich selbst schon so, als hätte ich eine eigenständige Existenz... ein Blog, das seinem Ersteller antwortet - wie wäre es mal mit professioneller Hilfe, lieber Jan?

Trotzdem danke ich dir für die offenen Worte. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.

Liebe Grüße
Blog


Liebes Blog,

puuh, also das muss ich erstmal verdauen. Ich hab hier den ganzen Unsinn geschrieben, die ganzen Vorhaben nicht erfüllt, immer wieder neue Wettkämpfe geplant und dann nicht absolviert? Das hieße ja, dass ich der faule Sack bin. Dass ich der Träumer von uns beiden bin. Und du nur das Produkt meiner Gedanken! Aber reicht nicht die Tatsache, dass ich hier von dir diese Antwort bekommen habe, für die Bestätigung meiner Eingangsvermutung, nämlich dass du doch selbstständig denkst, schreibst und handelst? Andererseits: Mir kommen diese nicht erfüllten Phantasien irgendwie vertraut vor... und deine harte, schonungslos offene Art auch. Vielleicht bist du also doch ein Teil von mir?

Weißt du, liebes Blog, an wen du mich erinnerst? An einen guten Bekannten. Der heißt Willen. Ich weiß, ein beschissener Name. Aber wer sucht sich schon seinen Namen aus? Du heißt Blog. Als ich klein war, hieß das "Block" mit nem ordentlich harten "Zäka" am Ende und ich hab da was mit der Hand reingeschrieben. Du bist dagegen irgendwie der weichgespülte, warme Bruder vom Block. Aber schweifen wir nicht ab....
Jedenfalls treffe ich den Willen ziemlich regelmäßig. Aber immer nur bei Tätigkeiten, die ich gerne ausübe. Wenn ich etwas nicht gerne mache, seh ich ihn nie. Der Willen ist eine sehr vielschichtige Persönlichkeit. Er motiviert mich, Dinge anzupacken. Ich habe ja ziemlich viele Ideen in meinem Kopf, aber ich kann sie nur umsetzen, wenn Willen mit dabei ist. Ohne ihn gibt es keinen Start. Ohne ihn bleiben die Ideen Ideen und werden nicht umgesetzt.
Mit ihm habe ich schon viele Vorbereitungen zum Marathon durchgestanden. Bei Schnee und Eis gelaufen, bei brütender Hitze, Platzregen, Hagel, Sturm, Gewitter, Eiseskälte. Wenn er dabei ist, kann ich die Idee in die Tat umsetzen. Er funktioniert wie ein Katalysator für mich. Und plötzlich erscheinen auch die anstrengenden, nicht so schönen Teile der Idee nicht mehr ganz so schlimm. Er hilft mir, auch schwere Situationen durchzustehen. Und wenn es dann hart auf hart kommt, wenn es mir während eines Rennens wirklich einmal nicht so gut geht und ich eigentlich nicht mehr kann, dann kommt Willen um die Ecke und brüllt mir in mein Ohr. In Paris war er das letzte Mal so richtig nah bei mir und schrie: "Jetzt streng dich an, noch drei Kilometer, du liegst gut in der Zeit! Wenn du jetzt nochmal alles rausholst, kannst du es schaffen! Oder willst du hier jetzt krepieren und deinen Traum begraben? Wofür hast du eigentlich die letzten drei Monate so hart trainiert? Um hier jetzt wie ne Schwuchtel vor den paar Minuten Schmerz zu kapitulieren!? Sei kein scheiß Waschlappen, sondern beweg deine Stelzen! RENN VERDAMMT NOCH MAL!!!" Das klingelt hinterher immer ziemlich im Gehörgang, wenn er mich so anschreit. Aber es hilft. Und du hast dich in deinem letzten Brief genau so angehört.

Also habe ich jetzt zwei Vermutungen, liebes Blog. Entweder ist Blog dein Pseudonym und du bist eigentlich Willen (btw.: Das würde passen, zwei ähnlich beschissene Namen) oder ich bin nicht mehr ganz dicht und du und Willen sind beide ein Teil von mir...

Um Aufklärung bittend
Jan


Lieber Jan,

ich bin ja kein Psychologe, aber das hört sich wirklich bedenklich an, was du mir hier auftischst. Ein Typ, der immer dann um die Ecke kommt, wenn du etwas gern machst und der dich anschreit, wenn es dir schlecht geht, was bewirkt, dass du dann Qualen besser aushältst!? Wo soll ich anfangen, diese abnormalen Hirngespinste zu entfriemeln? Vielleicht hast du ja auch latente homosexuelle Neigungen? Wie ich darauf komme? Naja, vielleicht ist dieser Willen ja nicht dein Bestärker bei tollen Vorhaben, sondern die Ursache, weshalb du überhaupt etwas gut findest. Du findest die Lauferei toll, weil dieser Willen dann immer da ist. Er bestimmt also, woran du Spaß hast und woran nicht. Und dass du Qualen besser aushältst, wenn dich jemand anbrüllt, hört sich für mich nach einer ausgeprägten masochistischen Ader an. Geh dem doch mal nach...
Aber Spaß beiseite, ich will dich ja nur ärgern. In Wahrheit ist es doch so: Willen und ich, das momentan übelgelaunte Blog, sind eine Person. Wir zwei gehören auch zu deiner Person, wir drei sind also eins. So einfach ist das. Was die Motivation angeht, weshalb du immer diesen Willen dabei haben musst um etwas zu erreichen, jemanden der dich anbrüllt in Situationen, in denen es dir schlecht geht: Ohne diesen Teil in dir würdest du nichts erreichen. Er ist der wichtigste Teil in dir, auf ihn solltest du hören. Er tut dir gut.

Hör auf mich
Blog


Liebes Blog,

ja okay, ich sehe ein, dass ich das alles irgendwie bin. Dass ich der Träumer und Phantast bin, war von Anfang an klar. Dass ich du und Willen bin, habe ich jetzt auch erkannt. Dass ich nicht mehr ganz dicht bin, ist auch klar. Aber damit wollen wir uns jetzt lieber nicht beschäftigen, manchmal ist es auch besser, keine schlafenden Hunde zu wecken. Wer weiß, was noch alles zu Tage tritt, wenn ich wirklich mal meine unbewussten Antriebe und Motivationen ergründen möchte.

Was mich stört, ist der letzte Teil deines Briefs. Dass der Willen das Entscheidende ist. Da widerspreche ich dir. Er ist ein bedeutender Teil von mir. Aber bei weitem nicht alles, was mich ausmacht. Er ist ein guter Helfer in schweren Situationen. Aber er ist niemals da, wenn ich eine Tätigkeit ausübe, die ich nicht gerne und mit Herzblut mache. Dann, wenn ich ihn also am dringensten brauche, verkriecht er sich. Er macht es sich damit sehr bequem wie ich finde. Ich buckel mir also alleine einen ab, wenn ich etwas nicht gern mache. Alsbald merke ich dann, dass es nichts bringt, diese Tätigkeit weiter auszuüben. Und dann fängt der Prozess an, der entscheidend ist. Ich muss mir etwas suchen, was mir Spaß macht. Und wer hilft mir dabei? Niemand. Das ist auch richtig so, denn ansonsten ließe ich mich viel zu sehr beeinflussen vom Geschwätz Anderer. Ich brauche dafür meine Ruhe, muss in mich gehen und fühlen, was ich als nächstes machen will. Der Willen kann mir dabei nicht helfen. Der brüllt immer so und ist furchtbar laut. Der will mich immer zu Höchstleistungen treiben, auch wenn das beizeiten gar nicht möglich ist. Ist dir mal der Gedanke gekommen, dass ich deshalb dieses Jahr so oft krank und verletzt und unmotiviert war? Ab und zu muss man auch mal einen Gang rausnehmen und in Ruhe schauen, was man wirklich will. Klar, ich will laufen. Aber ich will nicht wie verrückt immer schneller werden. Der Willen kann immer nur nach vorne und ziemlich laut funktionieren. Das Inspirierende am Laufen sieht er nicht. Es ist zwar ein tolles Gefühl, wenn man sich selbst überwindet und Ziele erreicht, die man sich gesetzt hat. Aber mit dieser Geisteshaltung kann man keine neuen Vorhaben planen. Das endet im Desaster. Was bringt es mir, wenn ich zum zehnten Mal den gleichen Marathon laufe und jedes Mal ein bisschen schneller werde? Der Willen fänd das ziemlich klasse. Ich finde das ziemlich phantasielos. Deshalb will ich mir mal eine andere Herausforderung suchen. Und wenn ich die gefunden habe, werde ich auch wieder den Willen brauchen. Das Gute an ihm ist, dass er so verlässlich ist. Aber eben nur in einem begrenzten Tätigkeitsfeld. Man darf ihm nicht zu viel Raum geben, sonst frisst er einen auf. Und dann würde ich den Spaß verlieren. Aber keine Angst, liebes Blog: Ich werde weiterhin laufen. Und tolle Sachen in dich reinschreiben.

Im Übrigen: Mach' dich nicht immer so schlecht, hier stehen doch ein paar interessante Geschichtchen drin. Du bist manchmal ein ziemlich zynisches Arschloch.

Liebe Grüße
Jan

Freitag, 24. August 2012

Meine Gedanken zu Lance Armstrongs Aufgabe im gegen ihn geführten Doping-Rechtsstreit

Dieses Thema hat nichts mit dem Laufsport zu tun. Trotzdem will ich hier dazu was schreiben, denn diese Nachricht rief in mir folgendes Gedankenspiel hervor und damit verbunden einige Einfälle, die ich schreibenswert finde.

Denken wir uns kurz in das Jahr 2003 zurück: Ein strahlender Jan Ullrich auf dem Siegerpodest. Gerade hat er im Bianchi-Trikot eine sensationelle Tour de France absolviert, Experten sagen er sei besser als bei seinem ersten Sieg 1997 gewesen, und er wurde mit großem Abstand Sieger. Es war sein vierter Sieg beim härtesten Radrennen der Welt. Auf der Spitze seiner Leistungsfähigkeit und als gefeierter Held einer ganzen Nation beendet er seine Karriere und zieht sich vom öffentlichen Leben, das sowieso immer eher Belastung für ihn war, zurück.

Die Realität sah damals natürlich ein bisschen anders aus. Lance Armstrong hat diesen deutschen Radsporttraum verhindert.

Armstrongs Entschluss, sich nicht in einem gegen ihn geführten öffentlichen Dopingprozess zu äußern, wird wahrscheinlich dazu führen, dass ihm seine sieben Tour de France-Siege aberkannt werden. Ob jetzt nachträglich meinem ehemaligen Idol Jan Ullrich die Toursiege von 2000, 2001 und 2003 zugerechnet werden, ist eine andere Frage, die im Prinzip auch unbedeutend ist, da die Frage nach seiner Dopingvergangenheit unter ähnlich schlechten Vorzeichen steht wie die Armstrongs und wahrscheinlich dem größten Teil des Pelotons in den vergangenen Jahrzehnten. Was mich viel mehr ins Grübeln bringt, ist die Tatsache, dass Armstrong jahrelang als glänzendes Vorbild dargestellt wurde, wenn es um Ehrgeiz, absoluten Siegeswillen, Disziplin, Cleverness, Abgebrühtheit und Trainingsfleiß ging. Jahr für Jahr trafen im Sommer dieses idealisierte Bild eines Wettkämpfers auf der einen Seite und das schlampige Talent, Jan Ullrich, auf der anderen Seite aufeinander. Alles konzentrierte sich auf dieses Duell.
Die Flachetappen zu Beginn der Tour - Vorgeplänkel. Vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern ging es, wenn das Thema Radsport behandelt wurde, immer nur um die Frage: Kann Ullrich dieses Mal endlich sein Potential abrufen und Armstrong schlagen, oder war er wieder einmal zu nachlässig im Training?

Jedes Mal habe ich schwitzend und bibbernd vor dem Fernseher gesessen, als es zur ersten Bergankunft hochging.
Ich habe es gehasst, wie ARD und ZDF dieses Duell darstellten. Der faule Fettsack Ullrich auf der einen Seite - der Superman aus den USA, der Sieger über den Krebs auf der anderen Seite. Wurde Ullrich Zweiter, war er in der öffentlichen Meinung ein Versager. Aufgrund der abartig hohen Erwartungshaltung, die damals herrschte. Die kam natürlich dadurch zustande, dass Ullrich zunächst mal ein begnadeter Athlet war. Befeuert und ins Bizarre getrieben wurde sie allerdings durch die Berichterstattung, die Ullrich im Jahresverlauf immer ungefähr so darstellten: Er futterte sich Winterspeck an, kam dann im Frühjahr nicht aus den Puschen und hatte dann zu wenig Vorbereitungszeit für die Tour und musste sich jedesmal innerhalb von ungefähr vier Wochen 10kg Übergewicht von den Rippen strampeln, Vorbereitungsrennen fahren um dann in der zweiten Tourwoche einigermaßen in Form zu sein. Aufgrund seines einmaligen Talents konnte er seinen mangelnden Ehrgeiz, angeblich sei er auch mit zweiten Plätzen zufrieden, eine Schande für einen solchen Sportler, ausgleichen und trotzdem ein außergewöhnlicher Radfahrer werden. Hier sah man wie die öffentliche Darstellung und die damit verbundene Erwartungshaltung das eigene Talent zu einer echten Bürde werden ließen.

Armstrong hingegen war so ziemlich das genaue Gegenteil in der öffentlichen Wahrnehmung. Seine Karriere eher als Klassikerjäger gestartet, Armstrong das Kraftpaket und ideal geeignet für hügelige Kurse, durch seine Krebserkrankung sowohl mental als auch physisch vollkommen verändert, entwickelte er sich zum Rundfahrer mit dem dafür nötigen kompletten Repertoire. Der unbändige Siegeswillen, das fast schon unsympathische Streben nach Erfolg nahm man in den deutschen Medien stets als Nebenprodukt seines Kampfs gegen den Krebs wahr, schließlich gelang es Armstrong nur aufgrund dieser Einstellung, dem Tod von der Schippe zu springen. Und nur mit diesem Mindset war er auch in der Lage den eigentlich viel talentierteren Ullrich Jahr für Jahr zu demütigen. Und so glichen sich auch Jahr für Jahr die Bilder im Winter. Speckiger Ulle hier, ein irrer Lance Armstrong dort, der schon im Januar den Galibier hoch- und runter radelt, hinter ihm im Auto Johann Bruyneel, der Armstrong bittet, es für heute gut sein zu lassen. Doch Armstrong will noch einmal hochradeln, auch wenn der Nebel kaum mehr als zehn Meter Sicht zulässt.
Armstrong war derjenige, der über den eigenen Körper gesiegt hatte. Der Asket, stärker noch als der Tod. Immer und immer wieder musste man sich solche oder ähnliche Berichte anschauen. Kurz: Die Schwarz-Weiß-Malerei wurde hier in Perfektion betrieben. Held und Anti-Held. Der Kämpfer gegen den verwöhnten Bengel, der sich nachts Nutellagläser in der Mikrowelle aufwärmt um sie dann in einem runter zu stürzen...
Als Ullrichfan hatte man wenig Argumente, denn der war ja einfach nur faul - Diskussionen brachten nie etwas, die Köpfe der Menschen waren zugekleistert mit diesem simplen Denken.

ARD und ZDF entwickelten so über die Jahre eine Art Hassliebe gegenüber Ullrich. Es wurde immer gehofft, dass er es doch einmal schaffen würde. Wurde er Zweiter, konnte aber auch öffentlichkeitswirksam draufgehauen werden. Es wurden ehemalige Radsportler zurate gezogen, die Ullrichs Saisonplanung und Trainingsfleiß kritisierten. Persönlichen Einblick hatten dabei die Allerwenigsten.

So ging das also Jahr um Jahr. Jahr um Jahr kam die erste Bergankunft und es war immer ein bisschen so wie der Gang zur Schlachtbank, die Öffentlichkeit hoffte immer, dass die faule Sau Ullrich vielleicht doch einmal ausbüchsen könnte. Ich erinnere mich noch genau an meine Gefühle vor jeder wichtigen Etappe: Endlich solle er es mal allen zeigen, diesen heuchlerischen Reportern, die ihn immer wieder mit Wonne als Versager stempelten. Ich fuhr den Berg immer mit hoch wenn Ullrich dabei war. Weil ich so nervös war, zappelte ich mit meinen Beinen. Ich ertrug die Ungerechtigkeit einfach nicht. Ich konnte es nicht fassen, dass ein so erfolgreicher Sportler in der öffentlichen Wahrnehmung dastand, als sei er ein dummer kleiner Junge, der zufällig in einen von Gott gesegneten Körper geschlüpft ist und fast nichts dafür tat, um erfolgreich zu sein.

Und diese Wahrnehmung hatte nur einen Grund und einen Namen: Lance Armstrong. Ohne ihn wäre Jan Ullrich der vierfache Tour de France-Sieger. Der Allergrößte, der harte Arbeiter, der sein Talent ausschöpft, der unwiderstehlich am Berg war, unschlagbar im Zeitfahren. Er wäre der gefeierte Held. Er wäre derjenige, den man gefilmt hätte, wie er die Gipfel der Tour im Winter hochfährt, wie er stundenlang im Keller auf der Maschine sitzt und trainiert. Wie er seine Gabe perfekt umsetzte indem er innerhalb kürzester Zeit in Topform kam. Er wäre auf einer Stufe mit Beckenbauer, Schumacher und Graf genannt worden. Die öffentliche Wahrnehmung wäre eine gänzlich andere gewesen. Aber es war nicht so. Weil er Zweiter und nicht Erster wurde. Das ist die Perversion dabei. Ein Platz in der Rangliste der besten Radfahrer auf der Welt entscheidet darüber, ob du das Gespött der Nation bist oder ihre idealisierte, hochstilisierte Ikone. Und genau diese Geisteshaltung ist zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass so viele Sportler illegale Substanzen nutzen, um sich einen Leistungsvorteil zu verschaffen. Armstrong hat es offensichtlich getan. Wenn man sich anschaut, wie in den vergangenen Jahren über zweite Plätze berichtet wurde und wie die Menschen über Sportler urteilen, über sie spotten, die nicht Erster werden, dann kann ich es sehr gut nachvollziehen, warum im Leistungssport so breitflächig gedopt wird. Ich kenne die genauen Motive von Armstrong und Ullrich nicht. Ich weiß nicht, warum sie gedopt haben. Vielleicht war es bei Armstrong der Wille, sich selbst etwas beweisen zu wollen nach der Krankheit. Vielleicht wollte er mit seinem Erfolg möglichst viele Gelder für seine Stiftung einfahren. Vielleicht wollte Ullrich Armstrong bloß einmal schlagen. Vielleicht wollte er nur ein einziges Mal noch die Tour gewinnen. Vielleicht wollte er es endlich allen beweisen, dass er doch ein Siegertyp ist. Vielleicht war er auch einfach nur geldgeil. Vielleicht war es auch einfach gang und gäbe, zu dopen und es herrschte diesbezüglich kein Unrechtsbewusstsein. Egal, welcher Umstand zum Doping geführt hat, eins ist für mich offensichtlich: Eine derartig gestörte, abartige und teilweise menschenverachtende Berichterstattung gegenüber einem Zweitplatzierten beim härtesten Radrennen der Welt hat den Erfolgsdruck und damit die Verheißung des Konsums illegaler Substanzen mit Sicherheit befeuert.

Was bleibt ist, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in dieser Hinsicht eine geradezu schizophrene Haltung eingenommen haben und, wie man an der Berichterstattung zu den Olympischen Spielen gesehen hat, immer noch einnehmen: Doping wird verteufelt, gegen die Entdeckten werden mediale Hetzjagden betrieben und der Ethos und die Moral des Sports werden immer wieder besungen. Zweite oder wahlweise vierte Plätze hingegen werden nicht oder gering geschätzt, es wird von Desastern und Katastrophen, Enttäuschungen und Versagern gesprochen. Der allergrößte Teil der öffentlich-rechtlichen Sender ist sich nicht bewusst, dass sie mit ihrem Erwartungsdruck und ihrem generellen Verständnis, wie Sportberichterstattung abzulaufen hat, zu dem Klima beitragen, in dem der Dopingsumpf, den sie gerne einfach ausgerottet wüssten, erst richtig gedeihen kann. Denn wo nur der absolute Erfolg zählt, lohnt es sich immer auch, nach illegalen Wegen dorthin zu suchen.

Wäre eine Version, wie ich sie zu Beginn geschildert hatte, gerecht oder wünschenswert? Nein, eher nicht. Ullrich hat mit großer Wahrscheinlichkeit ähnlich gehandelt wie Armstrong. Also war es wieder ein Kampf auf Augenhöhe. Der spätpubertäre Junge, der ich damals war, hätte sich wahrscheinlich zu Tode gefreut, wenn es so gekommen wäre. Es hätte allein mein persönliches Leid gemindert. Ich habe mit Ullrich mitgelitten. Aber niemals, weil er "nur" Zweiter wurde. Sondern, weil die Menschen ihm nicht den Respekt zukommen ließen, den er eigentlich verdient hatte. Als Sieger hätte er den Respekt und die Anerkennung bekommen. Allerdings, wie ich denke, aus falschen Motiven. Aus Motiven und einer Geisteshaltung heraus, die die Sportler erst dazu verleiten, zu betrügen. Leistung sollte unabhängig von Sekunden oder Platzierungen gewürdigt werden.


Dienstag, 21. August 2012

Road to Frankfurt 2012 - noch 10 Wochen: Intervalle sind scheiße

Heute war also die erste Einheit meines Trainingsplans. Es standen 2000m-Intervalle an. Gleich fünf davon im Marathontempo. Da ich gerne wieder unter drei Stunden laufen würde, wären das in Etwa 4:15min/km gewesen. Da ich aber noch nicht ganz so weit bin, dachte ich eher an 4:20min oder etwas in der Art. Das Wetter war wieder ähnlich ätzend wie am Sonntag. Ich bin wirklich kein Jammerlappen, aber Temperaturen über 30 Grad und dazu auch noch schwüle Luft vertrage ich nicht wirklich gut. Das nächste Mal muss ich wirklich abends oder früh morgens laufen gehen. Anscheinend hatte ich aus dem Sonntag nichts gelernt und bin wieder schön um die Mittagszeit losgelaufen.

Schon beim Einlaufen merkte ich, dass ich nicht so richtig auf Touren kam. Der erste Intervall ging dann aber ziemlich gut. Ich schaffte ihn in 4:19min/km und der Puls stieg auch kaum über 170. Trotzdem war ich danach schon ziemlich ausgepowert. Die vier Minuten Pause nutzte ich fast vollständig zur Gehpause, sonst trabe ich spätestens nach einer Minute schon wieder los.

Der zweite Intervall fiel mir dann schon deutlich schwerer. Der Puls schnellte auch relativ zügig über 170. Am Ende waren es 4:25min/km. Es war wirklich ziemlich heiß und ich hatte auch nichts zu trinken dabei.

Beim dritten Intervall wurde es dann noch schlimmer, der Puls war noch höher und am Ende waren es 4:30min/km. Ich beschloss daraufhin, es für heute gut sein zu lassen. Ich muss mich nicht bei der ersten Einheit des Plans komplett zerstören, dachte ich mir.

Einerseits ist mir ein derartiges Versagen in einer Intervalleinheit noch nie passiert, die habe ich bisher immer stur durchgezogen. Andererseits schiebe ich es dieses Mal wirklich aufs Wetter. Von daher ist mein schlechtes Gewissen sehr begrenzt. Morgen steht ein ganz lockerer Dauerlauf über 100min an. Wenn ich den bei normaleren Temperaturen absolvieren kann, sollte das eine nette Regenerationseinheit werden. Und dann hoffe ich einfach auf eine Abkühlung, obwohl ich die Jammerlappen, die sich über die Hitze beschweren, eigentlich verabscheue. Heute gehöre ich auch mal dazu. Und ich schäme mich auch nur ein kleines bisschen.

Jedenfalls hat mein Knie gut gehalten. Es fühlt sich deutlich besser an als noch vor einer Woche. Das ist positiv und eigentlich wichtiger, als die Tatsache, dass ich heute zwei Intervalle habe hinten runter fallen lassen. Weiter gehts!!

Montag, 20. August 2012

Road to Frankfurt 2012 - noch 10 Wochen: Endlich wieder Marathonvorbereitung!

Morgen beginnt die heiße Phase für den Frankfurt Marathon. Ich bin im Moment zwar nicht wirklich davon überzeugt, dass ich dort mitlaufen werde, aber mein Training will ich ab jetzt schon mal wieder intensivieren. Letzte Woche war für mich sozusagen Generalprobe, inwiefern ich die wieder erhöhte Laufbelastung verkrafte. Vor allem mein linkes, operiertes Knie machte mir einige Sorgen. Es fühlte sich nach den Läufen nicht wirklich gut an. Teilweise merkte ich auch während der Läufe, wie mein Knie sich "versteifte". Es gab zwar keine Schwellung, aber das Gefühl war das gleiche. Naja, ich möchte hier nicht weiter sinnlos im Nebel rumstochern. Jedenfalls hat es am Donnerstag die schnelle Einheit sehr gut verkraftet. Gestern sollte dann der ultimative Test folgen. Ich bin in der prallen Nachmittagssonne bei angenehmen 36° zwei Stunden durch Mainz und bis nach Wiesbaden gelaufen. Ich wollte einfach schauen, inwiefern mein Knie das so mitmacht. Es hat durchgehalten. Ich allerdings nicht ganz. Die zwei Stunden bin ich zwar durchgelaufen und das gar nicht mal so schlecht, allerdings musste ich mich dann von meinem Bruder abholen lassen, da ich die Strecke ein wenig falsch eingeschätzt hatte. Am Ende wurde es mir dann doch etwas zu warm und dann ging auch noch mein Getränk zur Neige (warmes Wasser, lecker!) und dann wollte ich einfach nicht mehr.

Fazit aus diesem Lauf: Der Trainingsplan kann kommen! Letzte Woche immerhin ca. 60km gelaufen, die 80, die diese Woche folgen, sollte ich packen und von da an muss ich einfach schauen, wie es weiter geht.

Zusätzlich zum Laufen habe ich jetzt auch endlich wieder mit Krafttraining speziell für die Beine begonnen. Ich habe dazu ein paar neue, tolle Übungen gefunden. Vielleicht werde ich die hier beizeiten mal vorstellen. Damit sollten auch die Knieproblemchen in den Griff zu kriegen sein.

Sonst habe ich zu Beginn eines Trainingsplans immer konkrete Vorstellungen von einer Zielzeit gehabt. Dieses Mal ist es irgendwie anders. Die 3 Stunden zu knacken kam im Nachhinein dann doch ein wenig plötzlich, damit hätte ich nicht gerechnet. Und vielleicht bin ich in Paris auch über meinen Möglichkeiten gelaufen. Wobei... das geht ja eigentlich gar nicht. Jetzt aber eine noch schnellere Zeit anzupeilen, erscheint mir irgendwie vermessen und ich habe das Gefühl, dass der Aufwand einfach immer größer wird, um noch eine eklatante Leistungssteigerung zu schaffen. Ich werde einfach schauen, wie das Training klappt, wie streng ich mich an alles andere halte und dann in ein paar Wochen entscheiden, ob ich einen neuen Bestzeitenversuch unternehmen werde. Zwischendurch kommen ja auch noch zwei 10km Läufe und ein Halbmarathon, die mir helfen werden, mich zu orientieren. Der 10km- Lauf soll ja schon am Ende der 3. Woche stattfinden. Eine Möglichkeit wäre hier, den Hochheimer Weinbergslauf zu nutzen. Der ist um die Ecke, geht allerdings entweder über 7,6 oder über 15,2km. Deshalb bin ich noch unschlüssig. Zur Not renne ich wieder auf der Bahn, das hat sich vor Paris ja bewährt.

Aber ich bin wirklich froh, dass ich jetzt wieder für einen Marathon trainieren werde. Das motiviert mich doch immer noch erheblich mehr. Ich liebe das Laufen, aber ohne konkretes Ziel laufe ich zu unstrukturiert. Vielleicht sollte ich mich mal nach einem Ganzjahresplan umsehen... Andererseits ist es so, dass ich mich immer gerne genau an die Vorgaben halte und ultrakonsequent bin, wenn es um Trainingspläne geht. Über ein ganzes Jahr hinweg würde das entweder nicht funktionieren (was frustrierend wäre) und ich würde den Plan verwerfen oder ich würde zum unsympathischen Pedanten. Das wäre zwar irgendwie cool, aber mein Umfeld hat Besseres verdient.

Wie auch immer: Auf geht's!

Montag, 2. Juli 2012

Sommerpause

Die Zeit vergeht aber auch wieder mal besonders schnell... einen Monat habe ich schon nicht mehr geschrieben. Warum eigentlich? Weil die Lauferei gerade nicht so wirklich stattfindet bei mir. Den Gonsenheimer Lauf habe ich aufgrund leichter Kniebeschwerden (wieder weg) ausfallen lassen. Danach habe ich mir bewusst zwei Wochen Auszeit genommen. Daraufhin war ich auf dem Southside Festival und habe meine Form noch ein gutes Stück weiter in den Keller gejubelt. Als ich dachte, ich sei gut genug erholt und könnte wieder mit dem Training beginnen, machte sich eine Rippe bemerkbar. Anscheinend habe ich mir im Gewühl einen Ellenbogen eingefangen. Die ersten beiden Tage habe ich die Schmerzen nur leicht gespürt, ich war sogar schwimmen damit. Dann wollte ich es wissen und war freitags im Krafttraining und hinterher noch laufen. Das war wohl gar nicht gut.

Heute waren die Schmerzen dann so prominent, dass ich mir Schmerztabletten reingepfiffen habe. Und jetzt ist wohl erstmal pausieren angesagt. Das nervt natürlich, weil pausiert habe ich jetzt eigentlich lange genug. Aber dann sind die Beine wenigstens maximal erholt und die Vorbereitung für den Frankfurt Marathon kann ich mit voller Energie angehen. Momentan zweifel ich jedoch sehr daran, dass ich wieder ähnlich gut oder sogar besser als in Paris abschneiden kann. Aber so ist das eigentlich immer, wenn man am Anfang einer solchen Trainingsphase steht und vor allen Dingen jetzt, wo jeder Atemzug wirklich unangenehm ist.

Montag, 4. Juni 2012

Krafttraining für Läufer: Bauchmuskeln

Jetzt habe ich hier ja schon einiges zum Lauftraining geschrieben. Vor ungefähr einem Jahr kam ich dann mal auf die ziemlich brilliante Idee, dass man ja zusätzlich zum Lauftraining auch noch ein paar Kräftigungsübungen einbauen kann. Okay, in Wahrheit war es meine Knieverletzung, die mich ein wenig zum Nachdenken gebracht hat. Seitdem mache ich ca. 2-3x/Woche Krafttraining. Dabei konzentriere ich mich speziell auf Übungen für den Bauch, den Rücken und die Schultern. Neuerdings habe ich auch einige Übungen für die Beine integriert. Stabilisationsübungen mache ich auch gelegentlich. Früher war ich auch jahrelang im Fitnessstudio. Irgendwann ging allerdings die Motivation verloren. Heute mache ich die Übungen, weil ich dahinter einen tatsächlichen Sinn erkenne. Ich trainiere nicht, um an einem Gerät möglichst viel Gewicht zu schaffen, sondern weil ich weiß, dass mir die spezifischen Übungen beim Laufen helfen. Sie machen mich erstens schneller und zweitens bewahren sie mich langfristig vor Verletzungen. Heute stelle ich einfach mal ein paar Übungen für den Bauch vor. Ich mache nicht immer alle auf einmal, aber mindestens drei Bauchübungen mache ich bei jeder Trainingseinheit. Ich finde es wichtig, die Übungen immer mal wieder abzuwechseln, damit der Muskel verschiedene Reize spürt - das kann nur gut sein. Hier sind ein paar der Übungen, die ich anwende. Meiner Meinung nach bringen sie auf jeden Fall etwas. Das Problem bei Kräftigungsübungen ist, dass man sie erstens richtig ausführen muss und zweitens, Muskeln nur aufgebaut werden, wenn man gleichzeitig auch ein wenig an der Ernährung dreht. Dazu schreibe ich demnächst mal was. "Erfolg" bei Kräftigungsübungen lässt sich somit schwer messen, anders als beim Laufen. Da ich sie aber wegen des Laufens ausführe und im letzten Jahr doch um einiges schneller geworden bin, kann man schon davon ausgehen, dass die Übungen da ihren Teil zu beitragen. Abseits dessen sieht man mittlerweile auch die Veränderungen am Körper. Vorher war ich, zumindest in der Marathonvorbereitung, einfach dürr. Jetzt sieht man, dass ich ab und zu mal was für meinen Körper tu'. Ein netter Nebeneffekt.

Wichtiger Hinweis zur Ausführung: Bei allen hier aufgeführten Übungen sollte man immer darauf achten, den Bauchnabel einzuziehen und die Muskeln permanent unter Spannung zu halten. Einerseits macht es die Übungen effektiver, andererseits beugt man so bei den Übungen, die man liegend ausführt, Rückenschmerzen und langfristig auch -verletzungen vor.

Donnerstag, 31. Mai 2012

Zielvorgaben am Arsch

Tja so ist das, wenn man den Mund zu voll nimmt. Großartige Zeiten vorhersagen und das auch noch während einer heftigen Erkältung und wahrscheinlich im Fieberwahn, das kann ja nicht gut gehen. Die Erkältung zog sich dieses Mal wirklich länger als gedacht. Deshalb war ich heute erst wieder ganz gemächlich im Schneckentempo unterwegs. Und auch nur 50 Minuten. War schon leicht deprimierend. Ich fühlte mich quasi ein Jahr zurück versetzt. Aber ich dachte mir, dass ich lieber langsam mache und meinen Puls in Grenzen halte, damit ich morgen nicht wieder flach liege.

Naja, das Rennen nächste Woche wird wohl nicht mehr als ne flotte Trainingseinheit, wenn ich bis dahin wieder vollkommen hergestellt bin. Volles Rohr laufen hat jetzt überhaupt keinen Zweck, weil ich erstens nicht in der Lage wäre auch nur annähernd ne gescheite Zeit hinzulegen und zweitens ich wohl erstmal richtig regenerieren muss. Vielleicht war die dreiwöchige Pause eben doch zu kurz zwischen Marathon und Halbmarathon. In Zukunft werde ich es mir zumindest zweimal überlegen, innerhalb so kurzer Zeit nach einem derart intensiven Rennen nochmal Vollgas zu laufen. Jetzt sind fast sechs Wochen rum seit Paris. Hätte ich diese Phase ruhiger angehen lassen, müsste ich jetzt wieder voll funktionsfähig sein. So zögert sich das wohl noch heraus. Die Erkältung kommt schließlich nicht von Ungefähr. Sie ist evtl. nur Symptom eines überanspruchten Systems. Aber was weiß ich schon. Ich lese schon wieder wild im eigenen Kaffeesatz. Irgendeine Erklärung muss ich mir aber zurecht basteln, um eine Handlungsanweisung für das nächste Mal zu haben. Nur gut, dass ich kein Trainer bin. Es könnte ja genau so gut sein, dass Tausend andere Erklärungen für meine jetzige Schwächephase zutreffend sind.

Egal, jetzt lauf ich erstmal, so es die Gesundheit denn zulässt, drei-vier Tage lang nur langsam. Je nach dem wie ich mich fühle, werde ich nächste Woche mal ein paar kurze, sanfte Intervalle einstreuen und dann ganz normal weiter trainieren.

Fazit: Kann schließlich nicht immer toll verlaufen.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Zielvorgaben - an seinen Worten soll man ihn messen!

Verschnupft, verklebt und röchelnd sitze ich hier im Aspirin-Complex Rausch. Ich sollte jetzt hier nicht rumsitzen, sondern draußen trainieren. Wäre diese Erkältung nur nicht... also muss ich mich irgendwie anders fordern - dem gesunden Zukunfts-Ich ein bisschen Feuer unterm Arsch machen! Was ist da besser, als mir Zielzeiten vorzugeben, die ich hiermit öffentlich mache und mich somit dem Druck der Millionen Leser und Leserinnen aussetze. Hohn und Spott erwarteten mich, erreichte ich folgende Zeiten nicht:

Also, es sind noch zwei Wochen bis zum Gonsenheimer 10km-Lauf. Zielvorgabe hier: unter 39 Minuten. Halte ich für etwas gewagt, immerhin bin ich gerade krank, aber zwei Wochen gutes Training können Wunder wirken. Vielleicht wirds ja doch was mit der neuen Bestzeit.

Karbener Stadtlauf: Ich weiß zwar noch nicht, wo Karben liegt, aber hier soll natürlich eine neue Bestzeit fallen. Unter 38 Minuten. Könnte schwierig werden, da ich in der Woche vor dem Lauf Urlaub mit 5 Freunden in einemn Ferienhaus in Holland mache. Ob ich da meinen Trainingsplan durchziehen kann, wird sich zeigen. Ob mich der dort vorherrschende Lebenswandel meine Form kosten wird, ebenso.

Hunsrück-Halbmarathon: Kurz vor der heißen Phase der Vorbereitung zum Frankfurt Marathon, dachte ich mir, streue ich nochmals einen Halbmarathon ein. So ist garantiert, dass ich den Sommer über kontinuierlich im Training bleibe - außerdem kann ich hier schon einige etwas längere Läufe (25km und ähnliches) einbauen. Ich bin gespannt, wie es wird. Minimum eine Zeit von unter 1:24std will ich hier laufen.

Momentan halte ich diese Ziele für recht ambitioniert. Vor allem, da die Augustläufe echte Hitzeläufe werden könnten. Aber man muss sich ja was vornehmen, sonst macht das alles ja keinen Spaß.

Für den Frankfurt Marathon nehme ich mir momentan vor, eine Zeit von unter 2:55std zu erreichen. Damit wäre ich nach heutigem Stand sehr zufrieden. Ich weiß allerdings nicht, ob ich entweder jetzt schon am Ende der Fahnenstange angekommen bin und einfach gar nicht mehr schneller werde oder ob es einfach so weiter geht wie letztes und dieses Jahr - dann könnte auch eine Zeit in Richtung 2:50std drin sein. Aber das halte ich momentan für Träumerei. Eigentlich ist Frankfurt auch noch viel zu weit weg, um sich darüber jetzt schon Gedanken zu machen.

Zwangspause

Diese Woche wollte ich wieder richtig einsteigen ins Training. Ich bin die letzten zwei Wochen nur gemächlich durch die Gegend gelaufen, nicht allzu lang und auch nicht allzu schnell. Gestern hätte meine erste Tempoeinheit zur Vorbereitung für den Gonsenheimer 10km-Lauf stattfinden sollen. Dienstags fühlte ich schon eine leichte Erkältung im Anflug. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob es eine Erkältung ist oder vielleicht doch der Anfang meiner alljährlichen Pollenallergie. Also dachte ich mir nichts dabei und ging nachmittags schön ins Freibad - bei den Temperaturen einfach das Beste, was man machen kann. Ich schwamm auch brav meine 30 Bahnen (es sind große Bahnen - was ich sowieso viel lieber mag, als die kleinen in der Halle) und legte mich danach in die Sonne. Der Schnupfen wurde hier schon heftiger, schlecht fühlte ich mich allerdings nicht. Außerdem habe ich, nachdem ich schwimmen war, des Öfteren Niesattacken. Warum auch immer, vielleicht gibt es auch noch sowas wie eine Chlorallergie...

Jedenfalls war ich voller Tatendrang und habe hinterher abends noch eine Laufrunde eingelegt. Herrlich, lauwarm, Dämmerung, Vogelgezwitscher. Wer konnte da nein sagen?

Als ich am Mittwoch aufwachte, wusste ich aber sofort, dass ich mich verschätzt hatte. Ich röchelte vor mich hin, meine Nase lief mir davon und ich wollte gar nicht aus dem Bett.

Nach einem Tag strikter Bettruhe geht es mir heute schon wieder besser. Ich war sogar schon wieder vor der Tür, habe mir Bananen gekauft und Honig für in den Tee.

Ich hoffe, dass ich morgen wieder fit bin. Laufen werde ich, denke ich, frühestens am Samstag wieder. Erkältungen gehen bei mir schnell vorbei, allerdings sollte man lieber einen Tag mehr pausieren, anstatt zu früh wieder los zu legen. Wahrscheinlich geh ich erst am Sonntag wieder laufen. Eigentlich hätte ich sehr gerne noch Krafttraining diese Woche gemacht, aber das muss wohl auch wegfallen. Naja, zwei Wochen bleiben mir dann ja noch zur Vorbereitung. Ursprünglich wollte ich in Gonsenheim eine neue Bestzeit laufen. So wie es jetzt aussieht, wird das wohl eher nichts. Aber warten wir es ab!

Marathonstaffel Mainz - Forcing Diabetes

Am 06.05. war hier in Mainz, quasi direkt vor meiner Haustür, der Novo-Nordisk-Marathon. Novo Nordisk ist ein großes Pharmaunternehmen. Es setzt sich mit dem Slogan "changing diabetes" - tja, dafür ein, dass Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, damit besser leben können oder es geheilt wird. Jetzt habe ich, vor dem Lauf natürlich, mal überlegt: Warum sponsort so ein Unternehmen einen Marathon? Logisch, man will sich den Anstrich geben, einen Lebensstil zu unterstützen, der Diabetes gar nicht erst ermöglicht - viel Sport, gesunde Ernährung usw. Das Sponsoring dient also in allererster Linie der Imagepolitur. Wie bei den meisten Sponsoren solcher Laufveranstaltungen (außer, wenn Asics bspw. einen Marathon sponsort, die haben sehr wahrscheinlich ein tatsächliches Interesse an der Veranstaltung, da das gesponsorte "Produkt" ihrem Geschäftsfeld entspricht). Mir ist aufgefallen, dass ein möglichst gesundes, weil sportintensives und zuckerärmeres Leben, nicht gerade im tatsächlichen Interesse von Novo Nordisk stehen kann. Wenn ich kein Diabetes aufgrund tonnenweiser Schokolade, Cola usw. bekomme, bin ich schlicht kein Novo Nordisk Kunde. Zumindest nicht im Diabetesbereich. Trotzdem muss man sich auf den Bühnen, die neben der Veranstaltung aufgebaut sind, anhören, dass Novo Nordisk sich ja für den Sport einsetzt. Täten sie das tatsächlich und ernsthaft und mit Erfolg, würden se sich selbst schädigen und langfristig ihr eigenes Geschäftsfeld kaputt machen. Was will ich damit sagen? Na, dass dieser geheuchelte Sponsoringunsinn das Allerletzte ist. Ich könnte bei diesen PR-Geschichten regelmäßig an die Decke gehen. Ist doch logisch, dass es Novo Nordisk zu allererst an solchen Menschen gelegen ist, die unter Diabetes leiden und die ein Leben lang mit ihren Medikamenten versorgt werden müssen.

Um meiner inneren Abneigung auch äußeren Ausdruck zu verschaffen, nannten mein Bruder und ich uns in der Staffel "forcing diabetes". Denn wenn man ganz zynisch überlegt, ist genau das doch das oberste Geschäftsziel für ein Pharmaunternehmen. Denn auch dieses will/muss wachsen und das geht logischerweise nur, wenn mehr Leute deren Medikamente benötigen.

Aber was weiß ich schon. Jedenfalls ist damit eine holprige Überleitung zum Lauf an sich geschafft. Ich finde es merkwürdig, über diesen Lauf zu schreiben, weil ich mir vorher kein Ziel gesetzt hatte und mich generell in einem eher unfitten Zustand wahrnahm. Also sagte ich, dass ich mindestens unter 1:30 laufen wollte, was mir möglich erschien, da das meinem Marathontempo drei Wochen zuvor entsprach. An meine Zeit von Kaiserslautern wagte ich nicht im Ansatz zu denken, auch wenn einige Schlaumeier in der Läuferszene ja meinen, drei Wochen nach einem Marathon könne man im Halbmarathon noch einen draufpacken.

Zunächst sollte mein Bruder loslaufen. Wie vor zwei Jahren, als er ebenfalls die erste Hälfte unserer Staffel bildete, schüttete es kräftig. Pünktlich zum Start hörte der Regen jedoch schlagartig auf und so konnte ich das Rennen gemütlich am Rand verfolgen. Ich ging erst nochmal in ein Café ein Hörnchen verputzen und wartete dann in Domnähe auf die Läufer. Vorne die schnellen Läufer aus aller Herren Länder. Ich bin immer begeistert von diesem Laufstil: Federnd, leicht und scheinbar mühelos wurde da über das Kopfsteinpflaster gerannt. Sehr viel weniger begeistert war ich von den Läufern, die so etwa meine Kragenweite waren: Es waren so viele wirklich ungesund aussehende Menschen dabei! Der Laufstil ist bei vielen Menschen derartig gruselig, viele sahen schon nach 14km nicht mehr gut aus, es wurde gestapft, gehinkt, auf Zehenspitzen gelaufen und dabei ausgesehen wie ein Storch im Salat, manche hielten den Kopf ganz schief, andere nen halben Meter nach vorne raus. Ich weiß nie genau, wie elegant mein Stil ist. Ich bilde mir aber ein, dass ich zumindest nicht total daneben aussehe. Früher bin ich bei Anstrengung entweder nach links und rechts gependelt oder ins Hohlkreuz gefallen. Seit ca. einem Jahr mache ich jetzt auch aus diesem Grund Krafttraining. Ich denke, ich habe mich schon sehr verbessert, was meine Oberkörperhaltung angeht. Wer sich ein Bild davon machen will, kann das hier bei meinem Zieleinlauf tun. Was ich aber beim Betrachten der ganzen Läufer gelernt habe, ist, dass es einfach unendlich wichtig ist, auch seine Beinmuskulatur mitzutrainieren. Damit habe ich zwar schon dieses Jahr angefangen, habe es aber nach diesem Lauf unter dem Eindruck des Erlebten nochmals intensiviert. Denn ich habe keine Lust, wie die vielen Läufer in Mainz rumzulaufen: Krumm, buckelig, zugetapet, humpelnd. Bei einigen ist der Ehrgeiz anscheinend größer als die Bereitschaft, auch neben dem Laufen etwas für seinen Körper zu tun.

So, zurück zum Thema (ich ufere schon wieder aus): Ich händigte meinem Bruder noch eine Flasche feinsten Getränkes aus (Cola, O-Saft, Zucker, Salz, Stärke, ein Rezept aus des Laufgurus Buch), feuerte ihn an und begab mich dann so langsam zur Wechselzone kurz nach der Halbmarathonmarke.
Ich lief mich kurz etwas warm und erwartete dann meinen Bruder. Er war wieder sehr weit hinten gestartet und rief mir bei der Flaschenübergabe zu, dass er viel zu langsam angegangen sei. Ich rechnete also mit einer guten Zeit, wer so spricht, muss noch was im Tank gehabt haben. Als er kam, ging ich einige Meter auf ihn zu, damit er nich so viele Extrameter rennen musste. Er konnte im Ziel kaum etwas sagen, eine Zeit hatte er auch nicht parat aufgrund eines Uhrenmissgeschicks am Start. Ich band mir seinen Chip um die Fessel und rannte los, allerdings nicht ohne ihm zu seiner guten Leistung zu gratulieren. Ich wusste nicht, wie ich angehen sollte und nahm mir vor, erstmal die Kilometer möglichst unter 4:15min zu laufen und zu schauen, wie es sich anfühlt. Da ich wieder ohne Blick auf den Puls rannte, ging es also wieder nur um mein Gefühl.

Der erste Kilometer war, aufgrund der Tatsache, dass ich erst bei 21,2km loslief (die Staffelwechselzone befand sich ca. 100m hinter dem Halbmarathonziel), keine wirkliche Richtschnur, wie schnell ich lief. Hinzu kam, dass es direkt über die Theodor-Heuss-Brücke ging, also gleich ein Anstieg anstand. Ich schaute also ab km22 auf die Uhr und versuchte mich an die 4:15min/km zu halten.

Ich fühlte mich gut, lief ziemlich fix und kam mir noch fixer vor, da ich laufend andere Läufer überholte, was nicht verwunderlich war, da ich ja für meine Verhältnisse recht weit hinten ins Renngeschehen eingriff. Die ersten drei Kilometer war in bei ca. 4:10min/km gelaufen. Nach 5km wurde ich langsam aber sicher immer flotter, die Zeiten bewegten sich auf 4:05min/km zu. Nach ca. 7km ging es wieder zurück über die Theodor-Heuss-Brücke auf die Mainzer Seite. Am anderen Ende stand auch schon mein Bruder zum tatkräftigen Anfeuern. Er brüllte mich an, als ginge es um Leben und Tod. Ich brüllte zurück so laut ich konnte. Endlich war mal Stimmung in dem lahmen Haufen hier!

Nach ca. 41:20min passierte ich die 10km-Marke, zog man die 100m ab, die ich weniger gelaufen war, war ich in etwa bei einem Schnitt von 4:12min/km. Zwischendrin hatte ich absichtlich etwas langsamer gemacht.

Die zweite Hälfte ging rasend schnell vorbei, mein Tempo lag ziemlich durchgehend bei rund 4:09min/km. Als die letzten fünf Kilometer anbrachen, wollte ich dann doch nochmal das Tempo verschärfen, was mir auch gut gelang. Ich lief jetzt konstant unter 4min/km, anstrengend war es zwar, aber so muss das ja auch sein. Ca. 1,5km vor dem Ziel lief man noch einmal über den Gutenbergplatz, an dem sich viele Zuschauer befanden. Ich kippte mir einen Becher Wasser über den Kopf, wurde nochmal von meinem guten Freund angefeuert und legte jetzt den Endspurt ein. Da 1,5km aber doch recht lang werden können, musste ich kurzzeitig nochmal Tempo rausnehmen, um am Ende nicht einzubrechen. Auf der Zielgeraden hatte ich mich wieder "erholt" und konnte so die letzten ca. 800m voll durchstarten. Im Ziel hatte ich eine Zeit von 1:26:12 std auf der Uhr stehen. Nicht schlecht, gut die 100m, oder vielleicht 70m, die mein Bruder mehr gerannt ist Richtung Wechselzone müsste man noch abziehen oder die Zeit draufrechnen, die ich dafür gebraucht hätte. Irgendwas um die 1:26:30 std wäre wohl am Ende rausgekommen. Ich war sehr zufrieden, lag ich doch weit über meinen eigenen Erwartungen und nur eine Minute über meiner Bestzeit.

Mein Bruder pulverisierte seine Bestzeit von 2010 (2011 war hier die Hitzehölle und er ist vollkommen krepiert) um 7 Minuten auf 2:13std. Insgesamt erreichten wir eine Zeit von knapp über 3:40std, hätte ich seine Zeit genau gewusst, hätte ich vielleicht noch mehr Gas geben können um eine Zeit unter 3:40std rausholen zu können. Aber immerhin liefen wir zu zweit den Marathon jetzt fast so schnell wie ich ihn 2008 in Frankfurt alleine gelaufen bin. Und wir haben uns in zwei Jahren zusammen um 17 Minuten verbessert - nicht schlecht, wie ich finde. Und bei uns beiden ist noch viel Luft nach oben.

Dienstag, 1. Mai 2012

Einschub: Warum ich laufe

Zwei Wochen sind jetzt seit dem unglaublich tollen Paris Marathon vergangen. Nach einem solchen absoluten Highlight meines Läuferlebens habe ich wieder einmal darüber nachgedacht, was mich eigentlich immer wieder zum Laufen bringt. Ich könnte ja jetzt, nachdem ich dieses noch vor einem Jahr in so weiter Ferne liegende Ziel, den Marathon unter drei Stunden zu finishen, erreicht habe, meine Schuhe auch einfach im Schrank verstauben lassen (wenn sich Staub auch im Schrank breit macht...). Ich könnte ja sagen, mehr geht nicht. Zumindest nicht ohne ein Mehr an Aufwand. Ob ich jetzt irgendwann noch 2:45 schaffe oder 2:30 - wen interessiert das schon? Im Prinzip könnte ich sogar sagen, dass es gut sein kann, dass es von jetzt an gar nicht mehr besser, sondern eher schlechter wird. Die Frage ist, ob das wichtig ist. Im Moment würde ich die Frage auf jeden Fall mit "ja" beantworten. Mir macht das schnelle Laufen einen solchen Spaß, selbst die lockeren Läufe sind mittlerweile so zügig wie früher meine Tempoläufe und irgendwie finde ich es erstaunlich, dass das überhaupt so geht - mit dem gleichen Körper.

Wenn ich es mir aber recht überlege, sind Zeiten zwar irgendwie das Salz in der Suppe, weil man sich mit sich selbst messen kann. Aber das ist nicht alles, was wichtig ist. Heute vor einem Jahr war ich vollkommen aus dem Training. Ich konnte nicht laufen, weil ich Schmerzen im Knie hatte. Ich habe erst im Juni letzten Jahres wieder mit regelmäßigem Training angefangen. Davor hatte ich fast ein halbes Jahr pausieren müssen. Ich weiß noch genau, wie toll es war, wieder einigermaßen schmerzfrei laufen zu können. Zeiten waren mir egal. Ambitioniert zu sein ist somit gut und schön. Ich möchte aber nicht aus den Augen verlieren, warum ich laufe: Um fit zu bleiben, um im Alter nicht am Rollator zu krepieren, um an der frischen Luft zu sein, um die Natur zu genießen, um den Kopf frei zu bekommen vom tagtäglichen Wirrwarr, um zur inneren Ruhe zu kommen. Laufen sollte für mich nicht stressig sein. Klar muss auch ich mich überwinden, wenn ich am neunten Tag infolge die Laufschuhe schnüre um einen Tempolauf zu machen. Aber wenn ich loslaufe, will ich niemals das Gefühl haben, ich würde lieber etwas anderes tun. Bisher war das noch nicht der Fall. Wenn ich draußen bin, kann ich mich mit allen Bedingungen anfreunden. Wenn mir der eiskalte Wind ins Gesicht bläst, finde ich das zwar störend, aber es gehört zum Laufen dazu - es ist Teil der Natur. Man bewegt sich außerhalb der Komfortzone und wenn ich bei -10° durch die Gegend renne, macht mir das Spaß. Ich finde in der Anstrengung und der relativen Extreme, die man dabei erfährt, immer einen Punkt in mir, der ganz still ist. Man ist in diesem Moment nur mit den äußeren Bedingungen und inneren Zuständen beschäftigt. Durch meine Erfahrung weiß ich, dass Kälte oder Wind mir nicht so viel ausmachen, so unangenehm sie auch sind. Ich kann also mein inneres Widerstreben ausschalten, durchhalten und über den Widerstand einen Punkt erreichen, der die Anstrengung erträglich und sogar begrüßenswert werden lässt. Es kann mir nichts passieren. Ich kann dann den Moment genießen und alles andere vergessen. Und das macht den Reiz des Laufens aus - bei allen Bedingungen. Am intensivsten habe ich diese Erfahrung in Paris gemacht. Natürlich war es anstrengend, aber ich bin mit dem Selbstverständnis im Rennen unterwegs gewesen, dass ich weiß was kommt und dass ich in der Lage bin, das Tempo durchzuhalten. Ich war mir ganz sicher und habe es einfach gemacht. Und in all dem äußeren Trubel, dem Wind, den Zuschauern, meinen hastigen Bewegungen auf den letzten Kilometern, wusste ich, dass ich das durchziehen werde. Und ich genoss die Anstrengung. Innerlich war ich total ruhig.

Diesen Zustand will ich mir beim Laufen erhalten. Er ist wichtig für mich und gibt mir Kraft. Wenn die Jagd nach Bestzeiten irgendwann diesen inneren Zustand überlagert, werde ich sofort aufhören, mir neue Ziele zu stecken. Noch allerdings läuft es gut. Und je länger der Paris Marathon her ist, umso eher will ich mir ein neues Ziel stecken. Ich will weiter Marathon laufen. Das ist mein Ding. Ich will ihn auch noch ein bisschen schneller laufen. Warum? Weil es mir Spaß macht.

Sonntag, 22. April 2012

Maarauelauf 2012

Heute stand dann der Maarauelauf an. Endlich mal wieder laufen - ich hatte jetzt seit Mittwoch die Laufschuhe im Schrank stehen gelassen und freute mich auf eine nette Trainingseinheit. Ich traf mich vor dem Start mit einem guten Freund und einer Freundin und wir beschlossen, die drei Runden gemeinsam zu bestreiten.

Das Wetter war überraschenderweise schön. Die Sonne schien und es war nicht übermäßig kalt. Ich behielt allerdings meine lange Hose an - da ich hier nicht 100% laufen wollte, hatte ich Angst, unterwegs zu frieren. Meine Freundin wollte diesen Lauf als Vorbereitung für den Gutenberg Marathon, der in zwei Wochen stattfindet, nutzen. Dort will sie gerne unter vier Stunden finishen. Ich schlug vor, dass wir das Rennen heute in 5min/km angehen sollten. Wenn sie das durchhielt, könne sie auch den Marathon unter vier Stunden schaffen. Da sie aber irgendwie ein bisschen Angst vor dieser Geschwindigkeit hatte (sie läuft sonst immer nur komplett nach Gefühl, was ich klasse finde), einigten wir uns erstmal auf 5:20min/km. Wir liefen also zu Dritt los, unterhielten uns nett und ich merkte, wie mir das Laufen schon wieder gefehlt hatte. Am liebsten wäre ich auch einfach davon gestiefelt, aber einerseits wollte ich nicht den Arsch raushängen lassen und meine beiden Freunde im Stich lassen, andererseits ist ein geruhsamerer Einstieg ins Training sicherlich die bessere Alternative nach dem am Anschlag gelaufenen Marathon vor einer Woche.

Den ersten Kilometer absolvierten wir dann auch genau in 5:20min/km und ich merkte, dass bei meiner Freundin noch sehr viel Luft nach oben war. Wir überholten also einige Läufer und näherten uns so dem Tempo zwischen 5:10 und 5:15min/km. Der Lauf an sich ist wie ich finde, sehr schön, er führt drei Runden über die Maaraue, einem... naja "Naherholungsgebiet" am gegenüberliegenden Ufer von Mainz. Das Schöne an der Maaraue, die ich als eine Art Halbinsel bezeichnen würde, ist, dass sie total grün ist. Es gibt dort schöne Wege und an der Uferseite hat man immer das Mainzer Panorama im Blick. Das einzig Unangenehme an diesem Tag war wieder einmal der Wind. Ständig blies er einem irgendwie unangenehm entgegen. Als wir dann auf die letzte Runde gingen, motivierte ich meine Mitläuferin nochmals einen Zahn zuzulegen. Ich weiß nicht, ob es ihr dann noch Spaß gemacht hat, aber sie konnte ihr Tempo nochmal ordentlich steigern und so erreichten wir in guten 55:30min das Ziel nach 11,1km. Somit hatten wir den Schnitt von 5min/km perfekt eingehalten! Ich sollte auch mal Pacemaker bei einem der großen Marathons spielen. Ich kann das einfach perfekt. Leider habe ich keine Ahnung, wo man sich dafür "bewerben" muss.

Mir hat der Lauf großen Spaß gemacht. Endlich mal ohne Stress an einem Laufereignis teilnehmen - einfach nur zum Spaß. Das Tempo bereitete mir auch überhaupt keine Probleme. Ich denke, dass ich den Marathon gut verkraftet habe. Allerdings meldete sich bei mir dann doch ab und an der Ehrgeiz. Allzu oft einen Volkslauf einfach so daher zu bummeln - das werde ich wohl dann doch nicht tun. Ich habe mir schon für die Zeit nach dem Halbmarathon einige Läufe rausgesucht, die ich voll angehen werde, um mal ganz vorne mitlaufen zu können. Ein schöner Spaß wird das!

Samstag, 21. April 2012

Kein Regionalparklauf

Regeneration ist ja das Allerwichtigste nach dem Marathon. Ich bin mir immer nicht sicher, wie das geht. Am besten bräuchte ich auch dafür noch einen Plan, an den ich mich halten könnte. Der Muskelkater war am Dienstag eigentlich schon wieder weg. Am Mittwoch war ich schon wieder eine halbe Stunde laufen, ganz gemütlich. Eine kleine Runde im Kraftraum habe ich auch schon wieder gedreht. So ganz ohne Sport komme ich mir auch immer schlecht vor. Ich habe mir auch einige Leckereien gegönnt, die ich mir in den letzten zwei Monaten fast gänzlich verkniffen habe. Es gab Pizza, Flammkuchen, Burger, Eis, Schokolade, Gummibärchen, Croissants, Nutella, Kekse usw. Wenn ich mir das hier so durchlese ist das schon ein beträchtliches Fettprogramm, was ich die letzten fünf Tage durchgezogen habe.

Aber eine Woche sündigen ist wohl drin. Heute sollte eigentlich der Regionalparklauf anstehen. Aber ich werde ihn nicht laufen. Nachdem ich mittwochs gelaufen bin, habe ich donnerstags merkwürdige "Schmerzen" (vielleicht auch einfach eine Art Ziehen) im linken Unterschenkel gespürt. Vielleicht war der Marathon doch belastender als ich es anfangs vermutet habe. Das ist jetzt aber wieder weg. Meinen angeschlagenen Zeh jedoch spüre ich immer noch ziemlich. Ich habe die Schmerztabletten wieder abgesetzt, um zu schauen, wie es sich so anfühlt. Und um ihn nicht weiter unnötig zu belasten, werde ich heute nochmal eine ruhige Kugel schieben. Morgen den Maarauelauf will ich aber schon nochmal probieren. Sollte der Zeh sich morgens melden, werde ich ihn einschmieren, Pillen nehmen werde ich nicht mehr. Und den Lauf werde ich auch höchstens mittelschnell angehen.

Tja und danach muss ich meinen Hintern langsam wieder in die Vertikale bekommen, da in zwei Wochen schon der Halbmarathon in Mainz ansteht. Hier nochmal eine Bestzeit rauszuhauen, wäre einfach super. Dazu werde ich nächste Woche, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, drei lockere Läufe machen, eine schnellere Einheit, wenn es mir in den Kram passt und vielleicht sonntags zwei Stunden im Schlafwagentempo. So müsste ich meine Form gut halten können, wenn ich sie mit der Fressorgie diese Woche nicht komplett zerstört haben sollte.

Dienstag, 17. April 2012

Einschub: Michelle Hunziker und ihr angeblicher Marathonlauf

Ich surfe ja ab und zu auf dubiosen Seiten herum. So wie gestern Nacht, als ich nach der ganzen Rennerei sonntags den gesamten Tag über viel geschlafen hatte und somit nachts kein Auge zu tun konnte. Also landete ich auf bild.de. Dort war ein Artikel verlinkt, in dem es um Michelle Hunziker ging und wie sie ihren Traumkörper in Form hält. So sei sie den Marathon in Mailand gelaufen und habe sich sogar durch den Regen gekämpft. Ich wollte das nicht so recht glauben. Nur um gut auszusehen, läuft man keinen Marathon. Auf der Ergebnisliste tauchte auch keine Hunziker auf. Sie lief lediglich einen Teil einer Staffel. Hab ich mir doch gedacht. Da wird auf stylebook.de die Legende gesponnen, Frau Hunziker würde Marathon laufen und das Ganze auch noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Nun gut. Natürlich kann man einen Marathon laufen und dabei lächeln und sich freuen. Habe ich auch schon gemacht. Aber warum dichtet man ihr einen Marathon an, schreibt auf bild.de auch noch, sie täte das, um ihre Traumfigur zu erhalten, obwohl das alles gelogen ist? Ich als alte Petze habe natürlich gleich an bildblog.de geschrieben und auf den Fehler hingewiesen. Heute mittag wurde dieser dann auch entsprechend veröffentlicht.

Ich frage mich dann, wie so ein Fehler zustande kommt. Einfacher Recherchefehler? Sieht da einer ein Foto von Frau Hunziker beim Marathonlauf und denkt sich einfach eine Geschichte aus, ohne 20 Sekunden zu investieren um nachzuschauen, wie und ob sie denn dort überhaupt gelaufen ist? Sowas ist natürlich möglich. Aber ich hoffe doch, dass die seriösen Journalisten von stylebook.de besser arbeiten. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, dass dieser Artikel PR-Zwecken dient, um zu zeigen, wie sportlich Frau Hunziker doch ist und wie hart sie für ihren "Traumkörper" arbeitet. Ich weiß nicht, ob es so ist. Aber es ließe Frau Hunziker zumindest in einem helleren Licht erstrahlen. Die Alte muss Marathon laufen, um fit zu bleiben. Meine Güte, die tut aber was für ihren Körper. Jaja... so oder so ähnlich könnte dann der beschränkte Boulevardleser denken (ich lese ja auch den Boulevard, aber nur um die nötige Bettschwere zu erlangen. Andere trinken deshalb Rotwein). Warum erwähne ich das hier überhaupt? Ganz einfach: Die Implikation dieses Artikels, dass Frau Hunziker Marathon läuft, um so hübsch zu bleiben, stört mich. Man muss nicht Marathon laufen, um fit zu sein. Man muss auch nicht Marathon laufen, um schlank zu sein. Man muss nicht Marathon laufen, um toll auszusehen. Marathonläufer sind eine sehr uneitle Gemeinschaft. Man läuft Marathon nicht, um sein Aussehen zu verbessern. Das ist allenfalls ein netter Nebeneffekt. Ich nehme den natürlich auch gerne mit und freue mich, wenn ich im Spiegel aussehe wie ein Chickenwing. Aber ich laufe Marathon wegen der Faszination an der Belastung. Weil man seinen Körper fordert und ihn monatelang auf ein Ereignis vorbereitet. Das Gefühl, alles getan zu haben, um sein Ziel zu erreichen und am Wettkampftag alles aus sich heraus zu holen. Deshalb laufe ich Marathon. Wenn ich bloß fit bleiben möchte, reichen mir eben auch 10km. Und damit könnte man ohne Probleme auch eine tolle Figur bekommen. In dem Artikel wird jedoch suggeriert, es gäbe viele Promis, die Marathon liefen, um ihre tollen Figuren zu behalten. Aufgeführt werden noch Christy Turlington und Agynes Deyn. Mal davon abgesehen, dass ich von den Tanten in meinem Leben nie was gehört habe, ist es doch bedenklich, wenn man den Eindruck erweckt, es bedürfe eines solchen Aufwandes, um schlank zu bleiben, sportlich auszusehen oder dergleichen. Um fit zu sein, reichen eben ein paar Mal die Woche Sport. Oder auch nur einmal die Woche. Besser ein bisschen als gar nichts. Wenn Artikel wie dieser anderes suggerieren und das Marathonlaufen bloß als Vehikel plumper Aufhübschung verkaufen, fange ich an, mich zu ärgern. Menschen, die was für ihre Figur tun wollen, werden durch so etwas doch tendenziell eher abgeschreckt. Um auszusehen wie die Promis muss man keinen Marathon laufen. Dafür reicht es, sich alle paar Monate Botox in die Fresse zu jagen und ansonsten einmal die Woche in den Fitnesstempel zu stürmen. Dazwischen Crashdiäten ohne Kohlenhydrate und einem Frühstück, das am besten aus Kippen und Kaffee besteht, um die Darmtätigkeit auch ordentlich zu beschleunigen. Denn das entschlackt ja. Um den Grundumsatz zu erhöhen empfiehlt sich wohl noch Kokain. Aber das nur als Tipp.

Paris Marathon - was den perfekten Lauf ausmacht

Zwei Tage ist es jetzt schon wieder her. Ehe die noch frischen Erinnerungen langsam den Weg alles Irdischen gehen, will ich versuchen, meine Eindrücke über dieses Rennen hier festzuhalten. Ich könnte so vieles über diesen Lauf schreiben, ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll und es könnte sein, dass dieser Bericht unstrukturiert daher kommt aufgrund des Versuchs, alle Phasen des Rennens, alle Gefühle, Impressionen und Gedanken in Gänze nieder zu schreiben. Aber fangen wir doch mal chronologisch an und schauen, wohin die Reise geht:

Unser Hotel
Sonntag früh, Hotel du Pré. 5:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Ich höre ihn, obwohl ich aufgrund meiner Ohrenstöpsel so gut wie taub bin. Das Schnarchen meines Vaters neben mir habe ich so kaum wahrgenommen und konnte richtig gut schlafen. Um auf Nummer Sicher zu gehen stumpt mich mein Vater an, als müsste ich in zwei Minuten an der Startlinie stehen. Jaja, ich bin doch wach...

Ich hatte am Abend zuvor alles vorbereitet. Die Koffer waren gepackt, die Laufklamotten rausgelegt, Startnummernband, GPS-Uhr, Kniesehnenbandage, Powergels in Shirt- und Hosentaschen verstaut. Ich machte mich kurz frisch (keine Dusche - was gibt es Unsinnigeres als vor einem Marathon zu duschen?). Dann frühstücken. Tags zuvor habe ich ein Messer aus dem Frühstücksraum mitgehen lassen, um mir mein Wettkampfmenü auf dem Zimmer zubereiten zu können. Es gab weiches Weißbrot mit Aprikosenmarmelade oder Apfel-Bananen-Mark. Leichteste Kost also. Ich schob mir genüsslich fünf Scheiben davon rein und trank dazu einen Liter Wasser. Um 7 Uhr machten wir uns auf den Weg. Die Koffer ließen wir im Hotel, um sie nach dem Rennen dort abzuholen.

Draußen war es ziemlich kalt. 4 Grad zeigte irgendwo ein Thermometer an. Wir fuhren mit der Metro zum Startbereich. Es wurde empfohlen, direkt am Arc de Triomphe auszusteigen, da man nur von oben in seinen Startblock kommen könne. Dieser Hinweis stellte sich aber als Lüge heraus. Oben am Arc de Triomphe gab es zwar ein paar Toiletten, die ich auch nochmals aufsuchte, aber ansonsten hätte man ruhig auch von unten die Champs-Elysées hochlaufen können, was einen viel kürzeren Fußmarsch bedeutete. Na egal, die paar Meter Spaziergang haben mich nicht gestört. Ich war weiterhin in meine Joggingklamotten eingepackt und wollte auch noch nicht aus ihnen raus, denn zu den kalten Temperaturen wehte auch noch ein ziemlich kräftiger Wind. Wir stellten uns noch kurz im Häagen-Dasz unter - dankenswerterweise hatte man hier seine Pforten geöffnet. Gegen ein paar kostenlose Snacks hätte ich zwar auch nichts einzuwenden, aber wahrscheinlich nagt der Laden da am Hungertuch, obwohl eine Kugel Eis dort ca. fünf Euro kostet.




Startnummer... ach was!?
Irgendwann sah ich, wie mein Startblock immer voller wurde, also begab ich mich dann doch mal wieder ins Kalte. Ich gab meine Klamotten meinem Vater und ging in den Käfig, der für die 3-Stunden-Läufer reserviert war. Man kam auch nur da hinein, wenn man einen entsprechenden Aufdruck auf seiner Startnummer hatte (s. Foto). Ich kam mir irgendwie fehl am Platz vor. Ich ein 3-Stunden-Läufer? Als ich mit dem Laufen vor sechs Jahren begann, schaute ich ehrfürchtig zu allen Läufern auf, die überhaupt nur einen Marathon zu Ende laufen konnten und jetzt wollte ich hier in einem solchen Tempo 42km durch die Gegend rennen? Irgendwie surreal. Aber ich hatte ja genau dafür trainiert. Ich fing also an, mich warm zu laufen. Wenn man von Laufen sprechen konnte in diesem kleinen Bereich, ca. 30 Meter im Kreis mit Hunderten anderen Läufern. Aber es ging ganz gut. Nach geschätzten 10 Minuten war mir einigermaßen warm und ich stellte mich zu den anderen Läufern, um auf den Startschuss zu warten. Langsam stieg bei mir dann doch die Aufregung. Es ist ja immer das Spannende bei einem so langen Lauf: Was erwartet einen, wie reagiert der Körper und die Psyche auf diese Belastung und wie bin ich in der Lage, Schwierigkeiten zu begegnen? Ich entledigte mich meines Plastiküberzugs und merkte nochmal, wie kalt es eigentlich war. Naja, besser als zu warm, dachte ich mir. Neben mir lauter hagere Gestalten, ich überragte mit meinen 1,93m alle. Irgendwie war ich hier doch falsch. Neben mir pinkelte ein älterer Läufer in eine Wasserflasche. Praktisch. Hoffentlich verwechselte er sie später nicht mit einem Isogetränk.

Dann fiel endlich der Startschuss! Nach ca. 40 Sekunden konnte ich schon über die Startlinie laufen - so weit vorne bin ich noch nie bei einem großen Marathon gestartet. Die Champs-Elysées kenne ich aus unzähligen Übertragungen der Tour de France. Und jetzt lief ich selbst über dieses Pflaster. Auf der ersten Verkehrsinsel nach dem Start stehen Dutzende Fotografen. Blitzlichter flackern auf, die Zuschauer am Straßenrand stehen in mehreren Reihen und feuern die Läufer an. Das war schon ein richtig geiles Gefühl. Bei Weitem der schönste Start eines Laufs für mich bisher. Vor mir liefen die 3:00std-Pacemaker. Ich sah die ganze Zeit zwei. Sie steckten einen größeren Bereich ab, in dem man wohl laufen sollte, wenn man die 3 Stunden unterbieten wollte. Ich war zunächst gute 50m dahinter. Ich wollte mein eigenes Tempo laufen, aber trotzdem schaute ich natürlich, wie sich die Entfernung zu ihnen veränderte.

Mein Vorhaben war ja gewesen, es langsam angehen zu lassen und vor allen Dingen den Puls nicht zu hoch schnellen zu lassen. Erst langsam, dann hinten raus was starten. Das mit dem Langsammachen klappte gut. 1. Kilometer in 4:30min... Puls: 173! Klasse... Zu hoch! Was sollte ich tun? Ich dachte, langsamer geht ja jetzt erstmal nicht, denn das bin ich ja schon. Es war sicherlich die Aufregung oder meine Uhr sponn schon wieder rum. Ich ärgerte mich nur kurz, denn ich musste ständig aufpassen, in den Kurven nach der Champs-Elysées, als man den Place de la Concorde überquerte (ein ebenso beeindruckendes Erlebnis wie vorher der Start), den anderen Läufern nicht über die Füße zu stolpern. Ich wollte außerdem vermeiden, dass mir jemand auf meinen rechten Fuß latscht. Zwar tat mein Zeh nicht mehr weh, aber einen kräftigen Fuß auf ihm wollte ich dennoch vermeiden. Statt dauernd auf die Uhr zu schauen, versuchte ich, die Atmosphäre des Rennens aufzunehmen. Der Himmel war ziemlich grau, es war fast noch ein wenig düster. Dazu die grellen Lichter, die am Place de la Concorde aufgestellt waren, alles wirkte leicht bizarr. Vor mir lief jemand, der gerade von einem Kameramotorrad begleitet wurde. Die Straßen sind unglaublich breit, man passierte die Tuilerien, lief am Louvre vorbei, dann das Hôtel de Ville. Ich dachte mir, ich müsse diesen Lauf einfach nur genießen: Scheiße, wie geil ist dieses Paris eigentlich? Solche und andere Gedanken machte ich mir. Ich schaute bei km3 auf die Uhr. Die letzten beiden km war ich viel zu schnell gelaufen - 4:05min jeweils. Puls: 177. Immer noch zu hoch. Angst machte sich breit. Kurz darauf kam schon der Place de la Bastille. Menschenmassen. Ein Riesenlärm. Ich kenne das nicht von Marathonläufen, dass so viele Leute sich das anschauen. Und dann noch bei der Kälte. Ich fror nämlich immer noch. Eine Getränkestation. Das Wasser wird hier in kleinen Flaschen gereicht - sehr praktisch. Und am Ende stehen verteilt Mülltonnen, in die man die Flaschen reinwerfen kann. Ich versuche mein Glück und treffe eine Zuschauerin voll mit meiner noch fast vollen Flasche am Bauch... Es tat mir Leid! Andererseits: Warum steht die direkt neben dieser Tonne? Gut, ich konnte nicht zielen, aber ich würde sagen, ihr gehören 50% Mitschuld aufgrund blöder Positionierung.

Jedenfalls war die Atmosphäre dieses ganzen Laufs derart einzigartig, dass ich meine Taktik über Bord warf und Folgendes festlegte: Ich bin hier in Paris. Ich bin hier, weil ich den Marathon unter drei Stunden laufen will. Das habe ich mir vor sechs Monaten vorgenommen. Die Bedingungen sind gut. Die Atmosphäre ist genial. Ich fühle mich gut. Ich habe eine Chance. Und die muss ich versuchen, zu nutzen. Der Puls kann mich am Arsch lecken.

Zum ersten Mal beschließe ich, einen Marathon zu laufen, ohne auf den Puls zu achten. Nur nach Gefühl. Die Topläufer machen das schließlich auch. Ich habe jahrelange Lauferfahrung. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ich mich übernehme. Die Zahlen können auch verunsichern. Der Puls ist von verschiedensten Faktoren beeinflusst. Ich bin schon 10km-Läufe mit einem Durchschnittspuls von über 190 gelaufen. Halbmarathons mit Puls 185. Ging alles. Die Zahlen auf der Uhr sind eine Hilfe, an der man sich orientieren kann - aber nicht muss. Ich laufe also jetzt ganz frei. Auf die Zeiten achte ich trotzdem. Mein Ziel sind ja die drei Stunden. Ich beschließe außerdem, die 4:15min/km einzuhalten. Nicht, weil ich meine, ich müsse das tun, sondern weil dieses Tempo genau meinem Wohlfühltempo entspricht. Ich teste es aus, habe einen km mit 4:05min, der mir ein wenig zu schnell vorkommt, mache etwas langsamer: 4:25min/km. Perfekt. Nach gut einer halben Stunde nehme ich das erste Powergel. Die Tatsache, dass ich fünf davon dabei habe, gibt mir noch mehr Sicherheit, gegen Ende nicht einzubrechen. Es ist sozusagen mein Trumpf im Vergleich zu den vorherigen Marathons. Was habe ich mir nur immer dabei gedacht, mit so wenig Verpflegung auf die Strecke zu gehen?

Die Strecke führt jetzt in Richtung Bois de Vincennes, den östlichen Stadtpark. Es geht immer mal wieder leicht bergauf. Ich ziehe recht flott über diese Hügelchen hinweg um auf den Bergabpassagen etwas zu erholen. Immer wieder kommt mir der Gedanke, dass ich eigentlich austreten müsste. Aber dafür ist nun wirklich keine Zeit. Ich hoffe, dass mit der Zeit andere Bedürfnisse Überhand gewinnen - etwa das Bedürfnis, ins Ziel zu kommen. Und so ist es auch. Gegen Ende ist Blasendruck mein geringstes Problem.

Die 10km-Marke erreiche ich in 42:26 - vier Sekunden unterhalb meines vorgenommenen Tempos. Perfekt! Ich kann das Rennen genießen. Ich weiß, dass ich dieses Tempo locker gehen kann. Ich weiß aber auch, dass es gegen Ende sicherlich nicht einfacher wird. Ich bin gespannt, wie lange ich so flott sein kann, ohne mich quälen zu müssen. Da ich keinen Puls sehe, kommt es ganz auf das Empfinden an. Und hierbei ist ja das Tolle, dass man es sich mit der Zeit unheimlich gut einreden kann, dass es einem noch gut geht. Oder geht es einem tatsächlich gut?

Langsam geht es auf die Hälfte zu. Mein zweites Gel habe ich nach einer Stunde zu mir genommen. Nach ca. 18km merke ich meine linke Wade. Ich frage mich warum. Ich habe ihr nichts getan. Die hat sich sonst noch nie gemeldet. Ich versuche, das leichte Ziehen nicht allzu ernst zu nehmen. Es gelingt. Sie meldet sich zwar im Laufe des Rennens immer wieder, aber eigentlich beeinflusst sie mich nicht.

Ich durchquere die Halbmarathonmarke nach 1:29:41std. Ich bin voll auf Kurs. Kurz nach der Hälfte sehe ich auch meinen Vater. Er ist mit der Metro zum Place de la Bastille gefahren, über den man zweimal läuft und feuert mich an, während er gleichzeitig mit der Kamera filmt. Das gibt mir nochmal zusätzlich ein gutes Gefühl.

Auf dem nächsten Kilometer habe ich kurz vergessen, welche Zeit ich einhalten muss. Egal, das Tempo passt im Moment sehr gut. Ich fange ab dem nächsten Kilometer wieder mit dem Rechnen an. Früher hätte ich mich durch einen solchen Fauxpas aus der Bahn werfen lassen aber an diesem Tag sage ich mir einfach, dass ich lange genug laufe und weiß, wie ich zu laufen habe. Ich muss nicht dauernd rumrechnen, es wird schon passen.

Wir laufen jetzt ein sehr langes Stück am Ufer der Seine entlang - den Eiffelturm immer links vorne im Blick. Ihn müssen wir hinter uns lassen, dann kommt die Tennisanlage Roland Garros, der Bois de Boulogne, das Ziel. So ist der Plan. Ich weiß, je näher ich dem Eiffelturm komme, bis er dann meinem Blick entschwindet, umso ernster wird die Geschichte hier. Es geht jetzt immer wieder durch Unterführungen, unter Brücken hindurch. Dazu geht es erst bergab, danach wieder bergauf. So geht das bestimmt fünfmal. Ich will kein Tempo verlieren. Um mich herum werden die Läufer langsam langsamer. Ganz wenige überholen mich aber auch. Ich laufe ein konstantes Tempo. Die 3:00-Pacemaker habe ich immer noch im Blick, einmal überhole ich auch den hinten Laufenden, aber nur, weil dieser gerade am Straßenrand zum Pinkeln anhält. Eine Minute später saust er wieder an mir vorbei.

Ich kann den Blick auf die Seine genießen, den Eiffelturm bestaunen - ein unfassbares Bauwerk. Ab und an rufen französische Zuschauer meinen Namen, mit teilweise sehr interessanter Aussprache: von Yann bis Schahn ist alles dabei (also lautschriftenmäßig). Immer wieder gibt es "Fotozonen", die per Megafon angekündigt werden: Attention!! Zone Photo! Links und rechts am Straßenrand sowie auf einer Verkehrsinsel steht ein Haufen Fotografen und schießt Fotos von den Läufern. Ich versuche, jedesmal nicht allzu angestrengt auszusehen, aber ich weiß nicht, ob mir das bei km28 noch gelingt.

Mittlerweile ist die Sonne kurz rausgekommen. So langsam lässt man den Eiffelturm links liegen. Der Wind bläst mir immer noch entgegen. Nach zwei Stunden nehme ich mein vorletztes Gel zu mir. Ich glaube zu fühlen, wie es wirkt. Und das ist schließlich das Wichtigste. Jetzt passieren wir Roland Garros. Wie ich finde, eine recht popelige Anlage. Ich hatte es mir viel größer vorgestellt, aber wahrscheinlich war ich durch die ganzen anderen Protzbauten nur viel zu große Gebäude gewohnt. Jedenfalls eine weitere prestigeträchtige Sportstätte, die mich daran erinnert, was man doch so alles leisten kann, wenn man nur will.

Mittlerweile bekomme ich aber dann doch ein wenig Angst vor dem Mann mit dem Hammer. Was, wenn mich mein Gefühl getäuscht hat und ich am Ende komplett einbreche? Solche Experimente, einfach mal den Puls zu ignorieren, sind eigentlich nicht mein Ding. Und das auch noch im "wichtigsten" Rennen überhaupt für mich. Aber gut. Einfach machen. Nicht nachdenken. Ich wollte mich nicht mit Problemen auseinander setzen, die noch gar nicht akut waren. Wenn der Mann mit dem Hammer kommt, kommt er. Ich versuchte, diesen Zeitpunkt so lange wie möglich nach hinten zu schieben. Und dann würde schon eine gute Zeit rausspringen. Die Kilometer wurden jetzt subjektiv immer länger: 34, 35, 36... Meine Zeiten waren nicht mehr ganz so, wie ich mir das vorstellte. Zwischen 4:16min und 4:18min/km. Aber alles noch im Rahmen. Ich fing wieder mit der Rechnerei an. Wenn ich es schaffe, diesen Schnitt bis zum Ende zu halten, sollte es möglich sein, mit einem beherzten Schlussspurt noch unter die 3-Stunden-Marke zu kommen. Mir gefiel der Gedanke. Alles rausholen, was geht. Komplett an der Leistungsgrenze zu laufen. Aber ohne einzubrechen. Genau so hoffte ich, würde es funktionieren. Wir waren jetzt im Bois de Boulogne. Es gab hier mehrere Kurven und mir kam zum ersten Mal der Gedanke, dass ich kein Kurvenfan bin. Ich mochte die Sicht auf die Strecke vorher. Man wusste so immer, was kommt. Der Vorteil von Kurven war heute allerdings, dass Hoffnung bestand, den Wind einmal aus einer anderen Richtung als nur frontal ins Gesicht zu spüren. Irgendwie war der Wind aber zu arschig dafür und blies weiter kräftig in die Fresse. Oder von der Seite, was auch nicht hilft. Zumindest war so meine Wahrnehmung. Ich war mittlerweile doch ziemlich angestrengt und hatte Angst bei der nächsten Zwischenzeit feststellen zu müssen, dass ich mein Tempo nicht mehr halten konnte. Die Leute um mich rum waren in dieser Sache keine Hilfe. Viele waren ein ganzes Stück langsamer als ich. Kurzzeitig hatte ich immer wieder Begleiter, die aber entweder zurückfielen oder irre nach vorne spurteten (das war aber die Ausnahme). Der 3:00-Läufer mit der roten Fahne auf dem Rücken war ein Anhaltspunkt. Aber von ihm dachte ich sowieso, er sei viel zu schnell. Er war auch schon ein bisschen weiter weg als noch vor 20 Minuten. Ich verlor also ein wenig Zeit. Aber immer noch nichts dramatisches.

Meine Beine wurden jetzt zunehmend müder. Es waren noch drei Kilometer und 195 Meter zu laufen. Jetzt dachte ich, kommt der Mann mit dem Hammer auch nicht mehr. Und falls doch, hau ich ihm das Ding selbst in die Fresse. Die Erinnerungen sind an dieser Stelle nicht mehr ganz so klar. Ich versuchte auf jeden Fall nochmal an Tempo zuzulegen, rechnete nochmal die Zeit nach, die mir für die letzten 195 Meter blieb, wenn ich einen Schnitt von 4:15min/km halten konnte. Es mussten ungefahr 50 Sekunden gewesen sein - zumindest erinnere ich mich an diese Zahl. Ich hätte lieber eine Minute gehabt, dann wäre ich auf der sicheren Seite gewesen. Die hatte ich auch noch, als ich bei km30 nachrechnete. Aber irgendwo sind mir 10 Sekunden abhanden gekommen...

Die Zuschauer feuerten einen wirklich gut an, riefen "moins de 3 heures! Bravo!" Ja, mal sehen, dachte ich mir. Es ist so verrückt, da macht man Zehntausende Schritte und am Ende kommt es auf jeden einzelnen an. Aber immer ist der nächste Schritt der Allerwichtigste. Kilometer 40. Schnitt gehalten. Jetzt biegt man irgendwann auf eine leicht ansteigende Gerade ein. Neben mir ein Franzose, der laut redet. Wahrscheinlich feuert er einen Mitläufer an. Aber der ist gute 10 Meter hinter ihm. Ich glaube nicht, dass er ihn hört. Ich überhole sie, ziehe nochmal am Tempohebel - oder zumindest glaube ich das. Jetzt auf einmal rechts neben mir ein weiteres Läuferpaar. Eine Frau schreit auf deutsch ihrem Partner entgegen, dass gleich der letzte Kilometer kommt und er die Atmosphäre nochmal aufsaugen und alles geben solle. Ich halte diese Idee für plausibel und denke mir ähnliches. Frage mich gleichzeitig, wie die Frau noch so klug und problemlos daherparlieren kann. Da ist das Schild: km41. Ich gucke auf die Uhr: 5 Minuten vor der 3. Das heißt bei 4:15min//km bleiben mir 45 Sekunden für 195 Meter. Machbar. Jetzt muss ich mir aber auch mal in den Arsch treten. Eine Riesenchance habe ich hier. Die ganze Vorbereitung war doch ziemlich anstrengend, jetzt ist die Zeit, die Möglichkeit wahrzunehmen. Jetzt gilt es. Ich hau mir auf die Brust, feuer mich selbst an, lege einen Zahn zu und ich weiß, dass es klappen wird. Ich kann das Tempo noch erhöhen! Jetzt sehe ich auch nochmal meinen Vater, der mich an der wichtigsten Stelle des Rennens anfeuert. Ich rufe ihm zu, dass es knapp wird, aber bin mir sicher, dass es reicht. Jetzt kommt nochmal ein Kreisverkehr. Ich laufe ganz innen, vor mir wird einer plötzlich langsamer. Ich schiebe ihn kurz vor mir her um nicht zu stolpern und kann dann rechts an ihm vorbeiziehen. Jetzt biege ich auf die Avenue Foch ein. Zielgerade. Der Wind bläst kräftig von der Seite. Es geht leicht bergauf. Scheißegal. Noch 200m. Ein Blick auf die Uhr: 2:59:10. 50 Sekunden für 195 Meter. Ich hau' jetzt alles raus. Das ist mein Moment. Hierfür habe ich im Training echt geackert. So einen Schlussspurt habe ich noch nie hingelegt. Ich stapfe die letzten Meter im gefühlten Affenzahn bis ins Ziel. Eigentlich wollte ich jubeln, aber jetzt ist der Tank leer. Zum richtigen Zeitpunkt! Keinen Meter zu früh. Ich schaue auf die Uhr: 2:59:50! Ich kann nicht mehr tun, als meine Zunge raushängen zu lassen, etwas verkrampft zu lächeln und mich mehr nach innen zu freuen. Ich gehe locker aus, meine Beine fühlen sich überraschend gut an. Man läuft jetzt die Avenue Foch hoch, ich hoffe, was essbares zu bekommen. Es gibt aber nur eklige Bananen, die ich nicht so gut vertrage, Orangenstückchen und Rosinen oder sowas in der Art. Enttäuschend. Kein Croque Monsieur. Kein Crêpes. Kein Baguette. Immerhin Powerade und ein Wasser. Ein gelbes Finishershirt gibt es auch noch. Und ein blaues Regencape, das auch gut vor dem kalten Wind schützt, den ich jetzt wieder spüre. Ich laufe die Avenue bis ganz nach oben durch, finde nichts zu essen, störe mich aber auch nicht weiter dran, gucke mir meine Finishermedaille an und bin überglücklich. Auf die Toilette kann ich jetzt auch endlich. Wäre ich unterwegs pinkeln gewesen, hätte ich es nicht geschafft. Ich hätte keine Sekunde schneller laufen können. Es war das perfekte Rennen. Ich konnte genau das, was ich im Training über Monate vorbereitet hatte, an diesem Tag abrufen und es hat genau gereicht, um mein mir gestecktes Ziel zu erreichen. Und diese Gewissheit ist schon was Tolles. Dazu beigetragen hat mit Sicherheit, dass ich mir keinerlei Gedanken über den Puls gemacht habe. Am Ende hatte ich einen Schnitt von 177. Viel zu hoch eigentlich. Aber es hat ja gepasst.

Endlich die 2 vorne - FUCK YEAH!
Ich bin mit der Gewissheit, alles richtig zu machen gelaufen, habe nicht großartig nachgedacht und bin somit intuitiv genau so schnell gelaufen, wie ich konnte. Und das macht diesen Marathon so besonders für mich. Die Zeit ist was Großartiges, das ist klar. Fast genauso toll ist es aber, seinem Gefühl vertrauen zu können. Jetzt fühle ich mich irgendwie wie ein richtiger Läufer. Einer, der nach Gefühl laufen kann, der sich selbst richtig einschätzen kann - unabhängig von der Technik. Fantastisch.

Jetzt entspanne ich mich erstmal ein wenig. Gelaufen bin ich noch nicht wieder. Die Beine sind natürlich etwas angeschlagen. Aber am Samstag und Sonntag stehen zwei Volksläufe an. Ich werde sie ganz geruhsam laufen. Um dann in drei Wochen hier in Mainz wieder einen rauszuhauen!