Donnerstag, 31. Mai 2012

Zielvorgaben am Arsch

Tja so ist das, wenn man den Mund zu voll nimmt. Großartige Zeiten vorhersagen und das auch noch während einer heftigen Erkältung und wahrscheinlich im Fieberwahn, das kann ja nicht gut gehen. Die Erkältung zog sich dieses Mal wirklich länger als gedacht. Deshalb war ich heute erst wieder ganz gemächlich im Schneckentempo unterwegs. Und auch nur 50 Minuten. War schon leicht deprimierend. Ich fühlte mich quasi ein Jahr zurück versetzt. Aber ich dachte mir, dass ich lieber langsam mache und meinen Puls in Grenzen halte, damit ich morgen nicht wieder flach liege.

Naja, das Rennen nächste Woche wird wohl nicht mehr als ne flotte Trainingseinheit, wenn ich bis dahin wieder vollkommen hergestellt bin. Volles Rohr laufen hat jetzt überhaupt keinen Zweck, weil ich erstens nicht in der Lage wäre auch nur annähernd ne gescheite Zeit hinzulegen und zweitens ich wohl erstmal richtig regenerieren muss. Vielleicht war die dreiwöchige Pause eben doch zu kurz zwischen Marathon und Halbmarathon. In Zukunft werde ich es mir zumindest zweimal überlegen, innerhalb so kurzer Zeit nach einem derart intensiven Rennen nochmal Vollgas zu laufen. Jetzt sind fast sechs Wochen rum seit Paris. Hätte ich diese Phase ruhiger angehen lassen, müsste ich jetzt wieder voll funktionsfähig sein. So zögert sich das wohl noch heraus. Die Erkältung kommt schließlich nicht von Ungefähr. Sie ist evtl. nur Symptom eines überanspruchten Systems. Aber was weiß ich schon. Ich lese schon wieder wild im eigenen Kaffeesatz. Irgendeine Erklärung muss ich mir aber zurecht basteln, um eine Handlungsanweisung für das nächste Mal zu haben. Nur gut, dass ich kein Trainer bin. Es könnte ja genau so gut sein, dass Tausend andere Erklärungen für meine jetzige Schwächephase zutreffend sind.

Egal, jetzt lauf ich erstmal, so es die Gesundheit denn zulässt, drei-vier Tage lang nur langsam. Je nach dem wie ich mich fühle, werde ich nächste Woche mal ein paar kurze, sanfte Intervalle einstreuen und dann ganz normal weiter trainieren.

Fazit: Kann schließlich nicht immer toll verlaufen.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Zielvorgaben - an seinen Worten soll man ihn messen!

Verschnupft, verklebt und röchelnd sitze ich hier im Aspirin-Complex Rausch. Ich sollte jetzt hier nicht rumsitzen, sondern draußen trainieren. Wäre diese Erkältung nur nicht... also muss ich mich irgendwie anders fordern - dem gesunden Zukunfts-Ich ein bisschen Feuer unterm Arsch machen! Was ist da besser, als mir Zielzeiten vorzugeben, die ich hiermit öffentlich mache und mich somit dem Druck der Millionen Leser und Leserinnen aussetze. Hohn und Spott erwarteten mich, erreichte ich folgende Zeiten nicht:

Also, es sind noch zwei Wochen bis zum Gonsenheimer 10km-Lauf. Zielvorgabe hier: unter 39 Minuten. Halte ich für etwas gewagt, immerhin bin ich gerade krank, aber zwei Wochen gutes Training können Wunder wirken. Vielleicht wirds ja doch was mit der neuen Bestzeit.

Karbener Stadtlauf: Ich weiß zwar noch nicht, wo Karben liegt, aber hier soll natürlich eine neue Bestzeit fallen. Unter 38 Minuten. Könnte schwierig werden, da ich in der Woche vor dem Lauf Urlaub mit 5 Freunden in einemn Ferienhaus in Holland mache. Ob ich da meinen Trainingsplan durchziehen kann, wird sich zeigen. Ob mich der dort vorherrschende Lebenswandel meine Form kosten wird, ebenso.

Hunsrück-Halbmarathon: Kurz vor der heißen Phase der Vorbereitung zum Frankfurt Marathon, dachte ich mir, streue ich nochmals einen Halbmarathon ein. So ist garantiert, dass ich den Sommer über kontinuierlich im Training bleibe - außerdem kann ich hier schon einige etwas längere Läufe (25km und ähnliches) einbauen. Ich bin gespannt, wie es wird. Minimum eine Zeit von unter 1:24std will ich hier laufen.

Momentan halte ich diese Ziele für recht ambitioniert. Vor allem, da die Augustläufe echte Hitzeläufe werden könnten. Aber man muss sich ja was vornehmen, sonst macht das alles ja keinen Spaß.

Für den Frankfurt Marathon nehme ich mir momentan vor, eine Zeit von unter 2:55std zu erreichen. Damit wäre ich nach heutigem Stand sehr zufrieden. Ich weiß allerdings nicht, ob ich entweder jetzt schon am Ende der Fahnenstange angekommen bin und einfach gar nicht mehr schneller werde oder ob es einfach so weiter geht wie letztes und dieses Jahr - dann könnte auch eine Zeit in Richtung 2:50std drin sein. Aber das halte ich momentan für Träumerei. Eigentlich ist Frankfurt auch noch viel zu weit weg, um sich darüber jetzt schon Gedanken zu machen.

Zwangspause

Diese Woche wollte ich wieder richtig einsteigen ins Training. Ich bin die letzten zwei Wochen nur gemächlich durch die Gegend gelaufen, nicht allzu lang und auch nicht allzu schnell. Gestern hätte meine erste Tempoeinheit zur Vorbereitung für den Gonsenheimer 10km-Lauf stattfinden sollen. Dienstags fühlte ich schon eine leichte Erkältung im Anflug. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob es eine Erkältung ist oder vielleicht doch der Anfang meiner alljährlichen Pollenallergie. Also dachte ich mir nichts dabei und ging nachmittags schön ins Freibad - bei den Temperaturen einfach das Beste, was man machen kann. Ich schwamm auch brav meine 30 Bahnen (es sind große Bahnen - was ich sowieso viel lieber mag, als die kleinen in der Halle) und legte mich danach in die Sonne. Der Schnupfen wurde hier schon heftiger, schlecht fühlte ich mich allerdings nicht. Außerdem habe ich, nachdem ich schwimmen war, des Öfteren Niesattacken. Warum auch immer, vielleicht gibt es auch noch sowas wie eine Chlorallergie...

Jedenfalls war ich voller Tatendrang und habe hinterher abends noch eine Laufrunde eingelegt. Herrlich, lauwarm, Dämmerung, Vogelgezwitscher. Wer konnte da nein sagen?

Als ich am Mittwoch aufwachte, wusste ich aber sofort, dass ich mich verschätzt hatte. Ich röchelte vor mich hin, meine Nase lief mir davon und ich wollte gar nicht aus dem Bett.

Nach einem Tag strikter Bettruhe geht es mir heute schon wieder besser. Ich war sogar schon wieder vor der Tür, habe mir Bananen gekauft und Honig für in den Tee.

Ich hoffe, dass ich morgen wieder fit bin. Laufen werde ich, denke ich, frühestens am Samstag wieder. Erkältungen gehen bei mir schnell vorbei, allerdings sollte man lieber einen Tag mehr pausieren, anstatt zu früh wieder los zu legen. Wahrscheinlich geh ich erst am Sonntag wieder laufen. Eigentlich hätte ich sehr gerne noch Krafttraining diese Woche gemacht, aber das muss wohl auch wegfallen. Naja, zwei Wochen bleiben mir dann ja noch zur Vorbereitung. Ursprünglich wollte ich in Gonsenheim eine neue Bestzeit laufen. So wie es jetzt aussieht, wird das wohl eher nichts. Aber warten wir es ab!

Marathonstaffel Mainz - Forcing Diabetes

Am 06.05. war hier in Mainz, quasi direkt vor meiner Haustür, der Novo-Nordisk-Marathon. Novo Nordisk ist ein großes Pharmaunternehmen. Es setzt sich mit dem Slogan "changing diabetes" - tja, dafür ein, dass Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, damit besser leben können oder es geheilt wird. Jetzt habe ich, vor dem Lauf natürlich, mal überlegt: Warum sponsort so ein Unternehmen einen Marathon? Logisch, man will sich den Anstrich geben, einen Lebensstil zu unterstützen, der Diabetes gar nicht erst ermöglicht - viel Sport, gesunde Ernährung usw. Das Sponsoring dient also in allererster Linie der Imagepolitur. Wie bei den meisten Sponsoren solcher Laufveranstaltungen (außer, wenn Asics bspw. einen Marathon sponsort, die haben sehr wahrscheinlich ein tatsächliches Interesse an der Veranstaltung, da das gesponsorte "Produkt" ihrem Geschäftsfeld entspricht). Mir ist aufgefallen, dass ein möglichst gesundes, weil sportintensives und zuckerärmeres Leben, nicht gerade im tatsächlichen Interesse von Novo Nordisk stehen kann. Wenn ich kein Diabetes aufgrund tonnenweiser Schokolade, Cola usw. bekomme, bin ich schlicht kein Novo Nordisk Kunde. Zumindest nicht im Diabetesbereich. Trotzdem muss man sich auf den Bühnen, die neben der Veranstaltung aufgebaut sind, anhören, dass Novo Nordisk sich ja für den Sport einsetzt. Täten sie das tatsächlich und ernsthaft und mit Erfolg, würden se sich selbst schädigen und langfristig ihr eigenes Geschäftsfeld kaputt machen. Was will ich damit sagen? Na, dass dieser geheuchelte Sponsoringunsinn das Allerletzte ist. Ich könnte bei diesen PR-Geschichten regelmäßig an die Decke gehen. Ist doch logisch, dass es Novo Nordisk zu allererst an solchen Menschen gelegen ist, die unter Diabetes leiden und die ein Leben lang mit ihren Medikamenten versorgt werden müssen.

Um meiner inneren Abneigung auch äußeren Ausdruck zu verschaffen, nannten mein Bruder und ich uns in der Staffel "forcing diabetes". Denn wenn man ganz zynisch überlegt, ist genau das doch das oberste Geschäftsziel für ein Pharmaunternehmen. Denn auch dieses will/muss wachsen und das geht logischerweise nur, wenn mehr Leute deren Medikamente benötigen.

Aber was weiß ich schon. Jedenfalls ist damit eine holprige Überleitung zum Lauf an sich geschafft. Ich finde es merkwürdig, über diesen Lauf zu schreiben, weil ich mir vorher kein Ziel gesetzt hatte und mich generell in einem eher unfitten Zustand wahrnahm. Also sagte ich, dass ich mindestens unter 1:30 laufen wollte, was mir möglich erschien, da das meinem Marathontempo drei Wochen zuvor entsprach. An meine Zeit von Kaiserslautern wagte ich nicht im Ansatz zu denken, auch wenn einige Schlaumeier in der Läuferszene ja meinen, drei Wochen nach einem Marathon könne man im Halbmarathon noch einen draufpacken.

Zunächst sollte mein Bruder loslaufen. Wie vor zwei Jahren, als er ebenfalls die erste Hälfte unserer Staffel bildete, schüttete es kräftig. Pünktlich zum Start hörte der Regen jedoch schlagartig auf und so konnte ich das Rennen gemütlich am Rand verfolgen. Ich ging erst nochmal in ein Café ein Hörnchen verputzen und wartete dann in Domnähe auf die Läufer. Vorne die schnellen Läufer aus aller Herren Länder. Ich bin immer begeistert von diesem Laufstil: Federnd, leicht und scheinbar mühelos wurde da über das Kopfsteinpflaster gerannt. Sehr viel weniger begeistert war ich von den Läufern, die so etwa meine Kragenweite waren: Es waren so viele wirklich ungesund aussehende Menschen dabei! Der Laufstil ist bei vielen Menschen derartig gruselig, viele sahen schon nach 14km nicht mehr gut aus, es wurde gestapft, gehinkt, auf Zehenspitzen gelaufen und dabei ausgesehen wie ein Storch im Salat, manche hielten den Kopf ganz schief, andere nen halben Meter nach vorne raus. Ich weiß nie genau, wie elegant mein Stil ist. Ich bilde mir aber ein, dass ich zumindest nicht total daneben aussehe. Früher bin ich bei Anstrengung entweder nach links und rechts gependelt oder ins Hohlkreuz gefallen. Seit ca. einem Jahr mache ich jetzt auch aus diesem Grund Krafttraining. Ich denke, ich habe mich schon sehr verbessert, was meine Oberkörperhaltung angeht. Wer sich ein Bild davon machen will, kann das hier bei meinem Zieleinlauf tun. Was ich aber beim Betrachten der ganzen Läufer gelernt habe, ist, dass es einfach unendlich wichtig ist, auch seine Beinmuskulatur mitzutrainieren. Damit habe ich zwar schon dieses Jahr angefangen, habe es aber nach diesem Lauf unter dem Eindruck des Erlebten nochmals intensiviert. Denn ich habe keine Lust, wie die vielen Läufer in Mainz rumzulaufen: Krumm, buckelig, zugetapet, humpelnd. Bei einigen ist der Ehrgeiz anscheinend größer als die Bereitschaft, auch neben dem Laufen etwas für seinen Körper zu tun.

So, zurück zum Thema (ich ufere schon wieder aus): Ich händigte meinem Bruder noch eine Flasche feinsten Getränkes aus (Cola, O-Saft, Zucker, Salz, Stärke, ein Rezept aus des Laufgurus Buch), feuerte ihn an und begab mich dann so langsam zur Wechselzone kurz nach der Halbmarathonmarke.
Ich lief mich kurz etwas warm und erwartete dann meinen Bruder. Er war wieder sehr weit hinten gestartet und rief mir bei der Flaschenübergabe zu, dass er viel zu langsam angegangen sei. Ich rechnete also mit einer guten Zeit, wer so spricht, muss noch was im Tank gehabt haben. Als er kam, ging ich einige Meter auf ihn zu, damit er nich so viele Extrameter rennen musste. Er konnte im Ziel kaum etwas sagen, eine Zeit hatte er auch nicht parat aufgrund eines Uhrenmissgeschicks am Start. Ich band mir seinen Chip um die Fessel und rannte los, allerdings nicht ohne ihm zu seiner guten Leistung zu gratulieren. Ich wusste nicht, wie ich angehen sollte und nahm mir vor, erstmal die Kilometer möglichst unter 4:15min zu laufen und zu schauen, wie es sich anfühlt. Da ich wieder ohne Blick auf den Puls rannte, ging es also wieder nur um mein Gefühl.

Der erste Kilometer war, aufgrund der Tatsache, dass ich erst bei 21,2km loslief (die Staffelwechselzone befand sich ca. 100m hinter dem Halbmarathonziel), keine wirkliche Richtschnur, wie schnell ich lief. Hinzu kam, dass es direkt über die Theodor-Heuss-Brücke ging, also gleich ein Anstieg anstand. Ich schaute also ab km22 auf die Uhr und versuchte mich an die 4:15min/km zu halten.

Ich fühlte mich gut, lief ziemlich fix und kam mir noch fixer vor, da ich laufend andere Läufer überholte, was nicht verwunderlich war, da ich ja für meine Verhältnisse recht weit hinten ins Renngeschehen eingriff. Die ersten drei Kilometer war in bei ca. 4:10min/km gelaufen. Nach 5km wurde ich langsam aber sicher immer flotter, die Zeiten bewegten sich auf 4:05min/km zu. Nach ca. 7km ging es wieder zurück über die Theodor-Heuss-Brücke auf die Mainzer Seite. Am anderen Ende stand auch schon mein Bruder zum tatkräftigen Anfeuern. Er brüllte mich an, als ginge es um Leben und Tod. Ich brüllte zurück so laut ich konnte. Endlich war mal Stimmung in dem lahmen Haufen hier!

Nach ca. 41:20min passierte ich die 10km-Marke, zog man die 100m ab, die ich weniger gelaufen war, war ich in etwa bei einem Schnitt von 4:12min/km. Zwischendrin hatte ich absichtlich etwas langsamer gemacht.

Die zweite Hälfte ging rasend schnell vorbei, mein Tempo lag ziemlich durchgehend bei rund 4:09min/km. Als die letzten fünf Kilometer anbrachen, wollte ich dann doch nochmal das Tempo verschärfen, was mir auch gut gelang. Ich lief jetzt konstant unter 4min/km, anstrengend war es zwar, aber so muss das ja auch sein. Ca. 1,5km vor dem Ziel lief man noch einmal über den Gutenbergplatz, an dem sich viele Zuschauer befanden. Ich kippte mir einen Becher Wasser über den Kopf, wurde nochmal von meinem guten Freund angefeuert und legte jetzt den Endspurt ein. Da 1,5km aber doch recht lang werden können, musste ich kurzzeitig nochmal Tempo rausnehmen, um am Ende nicht einzubrechen. Auf der Zielgeraden hatte ich mich wieder "erholt" und konnte so die letzten ca. 800m voll durchstarten. Im Ziel hatte ich eine Zeit von 1:26:12 std auf der Uhr stehen. Nicht schlecht, gut die 100m, oder vielleicht 70m, die mein Bruder mehr gerannt ist Richtung Wechselzone müsste man noch abziehen oder die Zeit draufrechnen, die ich dafür gebraucht hätte. Irgendwas um die 1:26:30 std wäre wohl am Ende rausgekommen. Ich war sehr zufrieden, lag ich doch weit über meinen eigenen Erwartungen und nur eine Minute über meiner Bestzeit.

Mein Bruder pulverisierte seine Bestzeit von 2010 (2011 war hier die Hitzehölle und er ist vollkommen krepiert) um 7 Minuten auf 2:13std. Insgesamt erreichten wir eine Zeit von knapp über 3:40std, hätte ich seine Zeit genau gewusst, hätte ich vielleicht noch mehr Gas geben können um eine Zeit unter 3:40std rausholen zu können. Aber immerhin liefen wir zu zweit den Marathon jetzt fast so schnell wie ich ihn 2008 in Frankfurt alleine gelaufen bin. Und wir haben uns in zwei Jahren zusammen um 17 Minuten verbessert - nicht schlecht, wie ich finde. Und bei uns beiden ist noch viel Luft nach oben.

Dienstag, 1. Mai 2012

Einschub: Warum ich laufe

Zwei Wochen sind jetzt seit dem unglaublich tollen Paris Marathon vergangen. Nach einem solchen absoluten Highlight meines Läuferlebens habe ich wieder einmal darüber nachgedacht, was mich eigentlich immer wieder zum Laufen bringt. Ich könnte ja jetzt, nachdem ich dieses noch vor einem Jahr in so weiter Ferne liegende Ziel, den Marathon unter drei Stunden zu finishen, erreicht habe, meine Schuhe auch einfach im Schrank verstauben lassen (wenn sich Staub auch im Schrank breit macht...). Ich könnte ja sagen, mehr geht nicht. Zumindest nicht ohne ein Mehr an Aufwand. Ob ich jetzt irgendwann noch 2:45 schaffe oder 2:30 - wen interessiert das schon? Im Prinzip könnte ich sogar sagen, dass es gut sein kann, dass es von jetzt an gar nicht mehr besser, sondern eher schlechter wird. Die Frage ist, ob das wichtig ist. Im Moment würde ich die Frage auf jeden Fall mit "ja" beantworten. Mir macht das schnelle Laufen einen solchen Spaß, selbst die lockeren Läufe sind mittlerweile so zügig wie früher meine Tempoläufe und irgendwie finde ich es erstaunlich, dass das überhaupt so geht - mit dem gleichen Körper.

Wenn ich es mir aber recht überlege, sind Zeiten zwar irgendwie das Salz in der Suppe, weil man sich mit sich selbst messen kann. Aber das ist nicht alles, was wichtig ist. Heute vor einem Jahr war ich vollkommen aus dem Training. Ich konnte nicht laufen, weil ich Schmerzen im Knie hatte. Ich habe erst im Juni letzten Jahres wieder mit regelmäßigem Training angefangen. Davor hatte ich fast ein halbes Jahr pausieren müssen. Ich weiß noch genau, wie toll es war, wieder einigermaßen schmerzfrei laufen zu können. Zeiten waren mir egal. Ambitioniert zu sein ist somit gut und schön. Ich möchte aber nicht aus den Augen verlieren, warum ich laufe: Um fit zu bleiben, um im Alter nicht am Rollator zu krepieren, um an der frischen Luft zu sein, um die Natur zu genießen, um den Kopf frei zu bekommen vom tagtäglichen Wirrwarr, um zur inneren Ruhe zu kommen. Laufen sollte für mich nicht stressig sein. Klar muss auch ich mich überwinden, wenn ich am neunten Tag infolge die Laufschuhe schnüre um einen Tempolauf zu machen. Aber wenn ich loslaufe, will ich niemals das Gefühl haben, ich würde lieber etwas anderes tun. Bisher war das noch nicht der Fall. Wenn ich draußen bin, kann ich mich mit allen Bedingungen anfreunden. Wenn mir der eiskalte Wind ins Gesicht bläst, finde ich das zwar störend, aber es gehört zum Laufen dazu - es ist Teil der Natur. Man bewegt sich außerhalb der Komfortzone und wenn ich bei -10° durch die Gegend renne, macht mir das Spaß. Ich finde in der Anstrengung und der relativen Extreme, die man dabei erfährt, immer einen Punkt in mir, der ganz still ist. Man ist in diesem Moment nur mit den äußeren Bedingungen und inneren Zuständen beschäftigt. Durch meine Erfahrung weiß ich, dass Kälte oder Wind mir nicht so viel ausmachen, so unangenehm sie auch sind. Ich kann also mein inneres Widerstreben ausschalten, durchhalten und über den Widerstand einen Punkt erreichen, der die Anstrengung erträglich und sogar begrüßenswert werden lässt. Es kann mir nichts passieren. Ich kann dann den Moment genießen und alles andere vergessen. Und das macht den Reiz des Laufens aus - bei allen Bedingungen. Am intensivsten habe ich diese Erfahrung in Paris gemacht. Natürlich war es anstrengend, aber ich bin mit dem Selbstverständnis im Rennen unterwegs gewesen, dass ich weiß was kommt und dass ich in der Lage bin, das Tempo durchzuhalten. Ich war mir ganz sicher und habe es einfach gemacht. Und in all dem äußeren Trubel, dem Wind, den Zuschauern, meinen hastigen Bewegungen auf den letzten Kilometern, wusste ich, dass ich das durchziehen werde. Und ich genoss die Anstrengung. Innerlich war ich total ruhig.

Diesen Zustand will ich mir beim Laufen erhalten. Er ist wichtig für mich und gibt mir Kraft. Wenn die Jagd nach Bestzeiten irgendwann diesen inneren Zustand überlagert, werde ich sofort aufhören, mir neue Ziele zu stecken. Noch allerdings läuft es gut. Und je länger der Paris Marathon her ist, umso eher will ich mir ein neues Ziel stecken. Ich will weiter Marathon laufen. Das ist mein Ding. Ich will ihn auch noch ein bisschen schneller laufen. Warum? Weil es mir Spaß macht.