Dienstag, 1. Mai 2012

Einschub: Warum ich laufe

Zwei Wochen sind jetzt seit dem unglaublich tollen Paris Marathon vergangen. Nach einem solchen absoluten Highlight meines Läuferlebens habe ich wieder einmal darüber nachgedacht, was mich eigentlich immer wieder zum Laufen bringt. Ich könnte ja jetzt, nachdem ich dieses noch vor einem Jahr in so weiter Ferne liegende Ziel, den Marathon unter drei Stunden zu finishen, erreicht habe, meine Schuhe auch einfach im Schrank verstauben lassen (wenn sich Staub auch im Schrank breit macht...). Ich könnte ja sagen, mehr geht nicht. Zumindest nicht ohne ein Mehr an Aufwand. Ob ich jetzt irgendwann noch 2:45 schaffe oder 2:30 - wen interessiert das schon? Im Prinzip könnte ich sogar sagen, dass es gut sein kann, dass es von jetzt an gar nicht mehr besser, sondern eher schlechter wird. Die Frage ist, ob das wichtig ist. Im Moment würde ich die Frage auf jeden Fall mit "ja" beantworten. Mir macht das schnelle Laufen einen solchen Spaß, selbst die lockeren Läufe sind mittlerweile so zügig wie früher meine Tempoläufe und irgendwie finde ich es erstaunlich, dass das überhaupt so geht - mit dem gleichen Körper.

Wenn ich es mir aber recht überlege, sind Zeiten zwar irgendwie das Salz in der Suppe, weil man sich mit sich selbst messen kann. Aber das ist nicht alles, was wichtig ist. Heute vor einem Jahr war ich vollkommen aus dem Training. Ich konnte nicht laufen, weil ich Schmerzen im Knie hatte. Ich habe erst im Juni letzten Jahres wieder mit regelmäßigem Training angefangen. Davor hatte ich fast ein halbes Jahr pausieren müssen. Ich weiß noch genau, wie toll es war, wieder einigermaßen schmerzfrei laufen zu können. Zeiten waren mir egal. Ambitioniert zu sein ist somit gut und schön. Ich möchte aber nicht aus den Augen verlieren, warum ich laufe: Um fit zu bleiben, um im Alter nicht am Rollator zu krepieren, um an der frischen Luft zu sein, um die Natur zu genießen, um den Kopf frei zu bekommen vom tagtäglichen Wirrwarr, um zur inneren Ruhe zu kommen. Laufen sollte für mich nicht stressig sein. Klar muss auch ich mich überwinden, wenn ich am neunten Tag infolge die Laufschuhe schnüre um einen Tempolauf zu machen. Aber wenn ich loslaufe, will ich niemals das Gefühl haben, ich würde lieber etwas anderes tun. Bisher war das noch nicht der Fall. Wenn ich draußen bin, kann ich mich mit allen Bedingungen anfreunden. Wenn mir der eiskalte Wind ins Gesicht bläst, finde ich das zwar störend, aber es gehört zum Laufen dazu - es ist Teil der Natur. Man bewegt sich außerhalb der Komfortzone und wenn ich bei -10° durch die Gegend renne, macht mir das Spaß. Ich finde in der Anstrengung und der relativen Extreme, die man dabei erfährt, immer einen Punkt in mir, der ganz still ist. Man ist in diesem Moment nur mit den äußeren Bedingungen und inneren Zuständen beschäftigt. Durch meine Erfahrung weiß ich, dass Kälte oder Wind mir nicht so viel ausmachen, so unangenehm sie auch sind. Ich kann also mein inneres Widerstreben ausschalten, durchhalten und über den Widerstand einen Punkt erreichen, der die Anstrengung erträglich und sogar begrüßenswert werden lässt. Es kann mir nichts passieren. Ich kann dann den Moment genießen und alles andere vergessen. Und das macht den Reiz des Laufens aus - bei allen Bedingungen. Am intensivsten habe ich diese Erfahrung in Paris gemacht. Natürlich war es anstrengend, aber ich bin mit dem Selbstverständnis im Rennen unterwegs gewesen, dass ich weiß was kommt und dass ich in der Lage bin, das Tempo durchzuhalten. Ich war mir ganz sicher und habe es einfach gemacht. Und in all dem äußeren Trubel, dem Wind, den Zuschauern, meinen hastigen Bewegungen auf den letzten Kilometern, wusste ich, dass ich das durchziehen werde. Und ich genoss die Anstrengung. Innerlich war ich total ruhig.

Diesen Zustand will ich mir beim Laufen erhalten. Er ist wichtig für mich und gibt mir Kraft. Wenn die Jagd nach Bestzeiten irgendwann diesen inneren Zustand überlagert, werde ich sofort aufhören, mir neue Ziele zu stecken. Noch allerdings läuft es gut. Und je länger der Paris Marathon her ist, umso eher will ich mir ein neues Ziel stecken. Ich will weiter Marathon laufen. Das ist mein Ding. Ich will ihn auch noch ein bisschen schneller laufen. Warum? Weil es mir Spaß macht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen