Donnerstag, 24. Mai 2012

Marathonstaffel Mainz - Forcing Diabetes

Am 06.05. war hier in Mainz, quasi direkt vor meiner Haustür, der Novo-Nordisk-Marathon. Novo Nordisk ist ein großes Pharmaunternehmen. Es setzt sich mit dem Slogan "changing diabetes" - tja, dafür ein, dass Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, damit besser leben können oder es geheilt wird. Jetzt habe ich, vor dem Lauf natürlich, mal überlegt: Warum sponsort so ein Unternehmen einen Marathon? Logisch, man will sich den Anstrich geben, einen Lebensstil zu unterstützen, der Diabetes gar nicht erst ermöglicht - viel Sport, gesunde Ernährung usw. Das Sponsoring dient also in allererster Linie der Imagepolitur. Wie bei den meisten Sponsoren solcher Laufveranstaltungen (außer, wenn Asics bspw. einen Marathon sponsort, die haben sehr wahrscheinlich ein tatsächliches Interesse an der Veranstaltung, da das gesponsorte "Produkt" ihrem Geschäftsfeld entspricht). Mir ist aufgefallen, dass ein möglichst gesundes, weil sportintensives und zuckerärmeres Leben, nicht gerade im tatsächlichen Interesse von Novo Nordisk stehen kann. Wenn ich kein Diabetes aufgrund tonnenweiser Schokolade, Cola usw. bekomme, bin ich schlicht kein Novo Nordisk Kunde. Zumindest nicht im Diabetesbereich. Trotzdem muss man sich auf den Bühnen, die neben der Veranstaltung aufgebaut sind, anhören, dass Novo Nordisk sich ja für den Sport einsetzt. Täten sie das tatsächlich und ernsthaft und mit Erfolg, würden se sich selbst schädigen und langfristig ihr eigenes Geschäftsfeld kaputt machen. Was will ich damit sagen? Na, dass dieser geheuchelte Sponsoringunsinn das Allerletzte ist. Ich könnte bei diesen PR-Geschichten regelmäßig an die Decke gehen. Ist doch logisch, dass es Novo Nordisk zu allererst an solchen Menschen gelegen ist, die unter Diabetes leiden und die ein Leben lang mit ihren Medikamenten versorgt werden müssen.

Um meiner inneren Abneigung auch äußeren Ausdruck zu verschaffen, nannten mein Bruder und ich uns in der Staffel "forcing diabetes". Denn wenn man ganz zynisch überlegt, ist genau das doch das oberste Geschäftsziel für ein Pharmaunternehmen. Denn auch dieses will/muss wachsen und das geht logischerweise nur, wenn mehr Leute deren Medikamente benötigen.

Aber was weiß ich schon. Jedenfalls ist damit eine holprige Überleitung zum Lauf an sich geschafft. Ich finde es merkwürdig, über diesen Lauf zu schreiben, weil ich mir vorher kein Ziel gesetzt hatte und mich generell in einem eher unfitten Zustand wahrnahm. Also sagte ich, dass ich mindestens unter 1:30 laufen wollte, was mir möglich erschien, da das meinem Marathontempo drei Wochen zuvor entsprach. An meine Zeit von Kaiserslautern wagte ich nicht im Ansatz zu denken, auch wenn einige Schlaumeier in der Läuferszene ja meinen, drei Wochen nach einem Marathon könne man im Halbmarathon noch einen draufpacken.

Zunächst sollte mein Bruder loslaufen. Wie vor zwei Jahren, als er ebenfalls die erste Hälfte unserer Staffel bildete, schüttete es kräftig. Pünktlich zum Start hörte der Regen jedoch schlagartig auf und so konnte ich das Rennen gemütlich am Rand verfolgen. Ich ging erst nochmal in ein Café ein Hörnchen verputzen und wartete dann in Domnähe auf die Läufer. Vorne die schnellen Läufer aus aller Herren Länder. Ich bin immer begeistert von diesem Laufstil: Federnd, leicht und scheinbar mühelos wurde da über das Kopfsteinpflaster gerannt. Sehr viel weniger begeistert war ich von den Läufern, die so etwa meine Kragenweite waren: Es waren so viele wirklich ungesund aussehende Menschen dabei! Der Laufstil ist bei vielen Menschen derartig gruselig, viele sahen schon nach 14km nicht mehr gut aus, es wurde gestapft, gehinkt, auf Zehenspitzen gelaufen und dabei ausgesehen wie ein Storch im Salat, manche hielten den Kopf ganz schief, andere nen halben Meter nach vorne raus. Ich weiß nie genau, wie elegant mein Stil ist. Ich bilde mir aber ein, dass ich zumindest nicht total daneben aussehe. Früher bin ich bei Anstrengung entweder nach links und rechts gependelt oder ins Hohlkreuz gefallen. Seit ca. einem Jahr mache ich jetzt auch aus diesem Grund Krafttraining. Ich denke, ich habe mich schon sehr verbessert, was meine Oberkörperhaltung angeht. Wer sich ein Bild davon machen will, kann das hier bei meinem Zieleinlauf tun. Was ich aber beim Betrachten der ganzen Läufer gelernt habe, ist, dass es einfach unendlich wichtig ist, auch seine Beinmuskulatur mitzutrainieren. Damit habe ich zwar schon dieses Jahr angefangen, habe es aber nach diesem Lauf unter dem Eindruck des Erlebten nochmals intensiviert. Denn ich habe keine Lust, wie die vielen Läufer in Mainz rumzulaufen: Krumm, buckelig, zugetapet, humpelnd. Bei einigen ist der Ehrgeiz anscheinend größer als die Bereitschaft, auch neben dem Laufen etwas für seinen Körper zu tun.

So, zurück zum Thema (ich ufere schon wieder aus): Ich händigte meinem Bruder noch eine Flasche feinsten Getränkes aus (Cola, O-Saft, Zucker, Salz, Stärke, ein Rezept aus des Laufgurus Buch), feuerte ihn an und begab mich dann so langsam zur Wechselzone kurz nach der Halbmarathonmarke.
Ich lief mich kurz etwas warm und erwartete dann meinen Bruder. Er war wieder sehr weit hinten gestartet und rief mir bei der Flaschenübergabe zu, dass er viel zu langsam angegangen sei. Ich rechnete also mit einer guten Zeit, wer so spricht, muss noch was im Tank gehabt haben. Als er kam, ging ich einige Meter auf ihn zu, damit er nich so viele Extrameter rennen musste. Er konnte im Ziel kaum etwas sagen, eine Zeit hatte er auch nicht parat aufgrund eines Uhrenmissgeschicks am Start. Ich band mir seinen Chip um die Fessel und rannte los, allerdings nicht ohne ihm zu seiner guten Leistung zu gratulieren. Ich wusste nicht, wie ich angehen sollte und nahm mir vor, erstmal die Kilometer möglichst unter 4:15min zu laufen und zu schauen, wie es sich anfühlt. Da ich wieder ohne Blick auf den Puls rannte, ging es also wieder nur um mein Gefühl.

Der erste Kilometer war, aufgrund der Tatsache, dass ich erst bei 21,2km loslief (die Staffelwechselzone befand sich ca. 100m hinter dem Halbmarathonziel), keine wirkliche Richtschnur, wie schnell ich lief. Hinzu kam, dass es direkt über die Theodor-Heuss-Brücke ging, also gleich ein Anstieg anstand. Ich schaute also ab km22 auf die Uhr und versuchte mich an die 4:15min/km zu halten.

Ich fühlte mich gut, lief ziemlich fix und kam mir noch fixer vor, da ich laufend andere Läufer überholte, was nicht verwunderlich war, da ich ja für meine Verhältnisse recht weit hinten ins Renngeschehen eingriff. Die ersten drei Kilometer war in bei ca. 4:10min/km gelaufen. Nach 5km wurde ich langsam aber sicher immer flotter, die Zeiten bewegten sich auf 4:05min/km zu. Nach ca. 7km ging es wieder zurück über die Theodor-Heuss-Brücke auf die Mainzer Seite. Am anderen Ende stand auch schon mein Bruder zum tatkräftigen Anfeuern. Er brüllte mich an, als ginge es um Leben und Tod. Ich brüllte zurück so laut ich konnte. Endlich war mal Stimmung in dem lahmen Haufen hier!

Nach ca. 41:20min passierte ich die 10km-Marke, zog man die 100m ab, die ich weniger gelaufen war, war ich in etwa bei einem Schnitt von 4:12min/km. Zwischendrin hatte ich absichtlich etwas langsamer gemacht.

Die zweite Hälfte ging rasend schnell vorbei, mein Tempo lag ziemlich durchgehend bei rund 4:09min/km. Als die letzten fünf Kilometer anbrachen, wollte ich dann doch nochmal das Tempo verschärfen, was mir auch gut gelang. Ich lief jetzt konstant unter 4min/km, anstrengend war es zwar, aber so muss das ja auch sein. Ca. 1,5km vor dem Ziel lief man noch einmal über den Gutenbergplatz, an dem sich viele Zuschauer befanden. Ich kippte mir einen Becher Wasser über den Kopf, wurde nochmal von meinem guten Freund angefeuert und legte jetzt den Endspurt ein. Da 1,5km aber doch recht lang werden können, musste ich kurzzeitig nochmal Tempo rausnehmen, um am Ende nicht einzubrechen. Auf der Zielgeraden hatte ich mich wieder "erholt" und konnte so die letzten ca. 800m voll durchstarten. Im Ziel hatte ich eine Zeit von 1:26:12 std auf der Uhr stehen. Nicht schlecht, gut die 100m, oder vielleicht 70m, die mein Bruder mehr gerannt ist Richtung Wechselzone müsste man noch abziehen oder die Zeit draufrechnen, die ich dafür gebraucht hätte. Irgendwas um die 1:26:30 std wäre wohl am Ende rausgekommen. Ich war sehr zufrieden, lag ich doch weit über meinen eigenen Erwartungen und nur eine Minute über meiner Bestzeit.

Mein Bruder pulverisierte seine Bestzeit von 2010 (2011 war hier die Hitzehölle und er ist vollkommen krepiert) um 7 Minuten auf 2:13std. Insgesamt erreichten wir eine Zeit von knapp über 3:40std, hätte ich seine Zeit genau gewusst, hätte ich vielleicht noch mehr Gas geben können um eine Zeit unter 3:40std rausholen zu können. Aber immerhin liefen wir zu zweit den Marathon jetzt fast so schnell wie ich ihn 2008 in Frankfurt alleine gelaufen bin. Und wir haben uns in zwei Jahren zusammen um 17 Minuten verbessert - nicht schlecht, wie ich finde. Und bei uns beiden ist noch viel Luft nach oben.

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